Mindesthonorare - wo und wie?

17.04.2021

Unsere Position zu Mindesthonoraren und Mindestvergütungen

Die Forderung, Mindestvergütungen auch bei selbstständigen Tätigkeiten zu schaffen, wird immer wieder in Politik, Parteien, Gewerkschaften und anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen erhoben. Ziel ist es Honorardumping, Prekarität, Schmutzkonkurrenz und den Missbrauch von Werkverträgen zumindest einzugrenzen. Auskömmliche Vergütungen durchzusetzen ist eine zentrale gewerkschaftliche Aufgabe. In Bereichen, in denen das – etwa wegen einer krassen Machtasymetrie – nicht von den Erwerbstätigen und ihren Organisationen selbst durchgesetzt werden kann, ist auch der Gesetzgeber gefragt.
Wie angemessene Vergütungen und gegebenenfalls eine untere Mindestgrenze bei selbstständigen Tätigkeiten erreicht werden können, hat die Bundeskommission Selbstständige (BKS) der ver.di schon immer intensiv diskutiert und im Juni 2018 beschlossen, kein allgemeines gesetzliches Mindesthonorar für alle selbstständigen Tätigkeiten zu fordern.
Sie fordert daher alternativ differenzierte branchenspezifische Mindesthonorare einzuführen. Solche berufs- und branchenspezifischen Untergrenzen können kollektivvertraglich oder auch per Gesetz oder Verordnung gesellschaftlich verankert werden. Die BKS unterstützt entsprechende Forderungen und Aktivitäten im Rahmen ihrer Aufgaben und Kompetenzen.

Die Überlegungen, die die BKS bewogen haben, kein einheitliches Mindesthonorar zu fordern, lauten:

  • Mindestvergütungen sind wünschenswert; das Prinzip "kein Mensch soll unter XX €/Stunde arbeiten müssen" ist richtig, aber:
  • Eine gleichartige Basis zur Berechnung von Erwerbseinkommen bei allen Werken und Dienstleistungen wäre die Grundlage für ein einheitliches Mindesthonorar. – Anders als beim Mindestlohn, ist es nicht möglich, einen einheitlichen Stundensatz für jede Form der selbstständiger Tätigkeit zu definieren.
  • Zu erwägen wäre eine allgemeine gesetzliche Regelung allein für nach Zeiteinsatz vergüteten Dienstleistungen, die ohne eigene Arbeitsmittel und Betriebskosten erbracht werden.
  • Konkrete und sachgerechte Regelungen zum Mindesthonorar sind für alle anderen Tätigkeiten nur berufs- oder branchenbezogen sinnvoll zu definieren.
  • Hinzu kommt, dass der Versuch einheitliche Vergütungen für alle Selbstständigen zu gestalten, komplexe (wettbewerbs-)rechtliche Fragen aufwirft.

Die BKS ist daher überzeugt, dass eine einheitliche Untergrenze der Vergütung für alle Formen der selbstständigen Tätigkeit in den verschiedensten Branchen kein praktisch umsetzbares Schutzsystem ist. Eine generelle Untergrenze, wie sie bei abhängiger Arbeit mit dem Mindestohn existiert, würde den extremen Unterschieden der Rahmenbedingungen einer selbstständigen Tätigkeit in den verschiedensten Berufen nicht gerecht werden. – Zudem gibt es praktikable Alternativen, auf die wir in einer bewertenden Gesamtschau (PDF) näher eingehen. Da eine einheitliche Kalkulation allein auf Grundlage des Erwerbsstatus nicht möglich und auch nicht sinnvoll ist, skizzieren wir hier, welche alternativen Handlungsfelder und Instrumente geeigneter sind, um so kurzfristig wie möglich zu greifbaren Verbesserungen der Lebens- und Einkommensbedingungen in den verschiedenen Berufen und Teilbranchen zu kommen.

 Vorschläge zur Durchsetzung von (branchenspezifischen) Mindesthonoraren:

 

 

 

Zur Entwicklung unserer Position: Die Bundeskommission Selbstständige der ver.di (BKS), der Aktive aus unterschiedlichsten Branchen angehören, setzt sich schon immer mit der Frage auseinander, welche Instrumente helfen können, angemessene Vergütungen durchzusetzen. – Mit der Durchsetzung des gesetzlichen Mindestlohns für abhängige Beschäftigte wurde das gesellschaftliche Einvernehmen deutlich: Niemand soll mit einem Stundensatz unterhalb einer fixen Grenze abgespeist werden. Die Frage, ob eine ähnlich definierte allgemeine Vergütungsuntergrenze für Selbstständige umsetzbar ist und ob sie insgesamt hilfreich wäre, stand im Raum. Nach intensiven Diskussion untereinander, mit aktiven Mitgliedern, Wissenschaft und Politik sind wir zu unserer Position gelangt, dass dies weder möglich noch sachgerecht ist.