Gerne würde ver.di darum in möglichst vielen Branchen für möglichst viele Berufe Mindesthonorare empfehlen. Eine falsche Interpretation der Marktfreiheit – national wie in der EU – steht dem zurzeit entgegen, allerdings haben Niedrigsthonorare und Digitalisierung eine neue Diskussion angestoßen, an der wir uns intensiv beteiligen. So hat die EU-Kommission beispielsweise Anfang 2021 eine Initiative gestartet, um herauszufinden, ob es möglich - und gewünscht - sei, per Verordnung bis Herbst 2022 Tarifverträge für Selbstständige zu ermöglichen. (Siehe auch hier.)
In Krisenzeiten bedeutet "über Geld reden" nicht allein mit den Auftraggebern zu verhandeln. – So ist für alle, denen ab März 2020 Arbeitsmöglichkeiten genommen wurden und/oder Aufträge weggebrochen sind, der Staat als Akteur des solidarischen Ausgleichs von Lasten für viele Solo-Selbstständige wichtiger geworden. Über das, was da aktuell (nicht) passiert, berichten wir laufende auf Facebook, Informationen zu den Hilfen, die da verteilt wurden, stehen in unserem Corona-Infopool, insbesondere in den Corona-FAQ. Dass wir uns staatliche Hilfe in Krisenzeiten akut und langfristig anders vorstellen als die Aneinanderreihung unübersichtlicher und oft nicht erreichbarer Hilfen, die sich von März 2020 bis Juni 2022 unstrukturiert und meist im Quartalstakt aufgelegt wurden – ergänzt durch den schlichten Verweis auf die Grundsicherung – kommunizieren wir seit Beginn der Corona-Pandamie sehr deutlich. Die Vorstellung, die wir dazu entwickelt haben: Wir schlagen vor, in Krisenzeiten den Gewinnausfall sowie die betrieblichen Fixkosten so zu ersetzen, dass ein Einkommen in Höhe von 75 Prozent des Vorkrisenniveaus gesichert wird. Die Begründung unserer Forderung findest du im Text Hilfen für Solo-Selbstständige solidarisch gestalten.
Soweit es um die Sicherung von fairen Arbeitsbedingungen und Honoraren geht, helfen nur Solidarität und Transparenz. Dabei müssen alle mithelfen, damit allen geholfen ist. Zur besseren Orientierung sammelt und verteilt unser Beratungsnetz selbststaendigen.info alle verfügbaren Honorar-Informationen. Nutzt die dafür geschaffene Honorardatenbank aber bitte nicht nur zum Lesen – nur wenn möglichst viele bei der Umfrage mitziehen, können alle profitieren.
Individuell, um Auftraggebern die eigene Honorargestaltung zu erläutern, könnt ihr unsere Honorartransparenzkarte im Format DIN lang verwenden – ideal als Beilage zu jeder Rechnung. Wichtig ist es aber vor allem, wie gerade beschrieben, dass sich Selbstständige nicht scheuen, mit ihren Kolleg*innen über Geld zu reden und noch wichtiger: Wo immer es geht auch gemeinsam kollektiv zu handeln. Nur so sind wirksam bessere Bedingungen für alle bei einem Auftraggeber, angemessenen Vergütungen in einer ganzen Branche, oder auch Mindesthonorare im eigenen Arbeitsbereich zu verankern.
Eine der wenigen Ausnahmen vom Verbot der Absprachen unter Selbstständigen bietet jenseits der Honorarordnungen der verkammerten Berufe und den Vergütungsordnungen einzelner öffentlicher Auftraggeber das Tarifvertragsgesetz. Das ermöglicht den Gewerkschaften, Tarifverträge für 'arbeitnehmerähnliche Personen', also die wirtschaftlich abhängigen Selbstständigen abzuschließen. – Dazu mehr unter Kollektive Lösungen im Bereich Einmischen.
Zumindest für (wirtschaftlich) abhängige Selbstständige wird in Politik und Wissenschaft und natürlich auch den Gewerkschaften nach Optionen gesucht, untere Einkommensgrenzen zu definieren und durchzusetzen. Für ver.di ist das ein Langzeitprojekt: Seit Gründung unserer Gewerkschaft diskutieren wir auch über wettbewerbsrechtliche Fragen und Mindesthonorare. Worum es uns dabei geht, findest du in unserem Arbeitspapier Wettbewerbs- und Kartellrecht. sowie in unserer ausführlichen Positionierung zu Mindesthonoraren.