Corona - FAQ für Solo-Selbstständige

05.03.2024

  • Bei den meisten Fragen, die uns derzeit (zu den Rückforderungen der Hilfen aus 2020) gestellt werden, wird klar: Es rächte sich in der Pandemie, dass in der Vergangenheit versäumt wurde, sozialstaatliche Regeln zu etablieren, die auch die Lebenslagen der Solo-Selbstständigen berücksichtigen. Diese FAQ erläutern, welche Hilfen galten und wo Probleme in Zukunft ausgeräumt werden sollten. Da blitzen viele Themen auf, an denen wir seit Jahren arbeiten und die wir gemeinsam und mit der Politik weiter diskutieren müssen.

  • An einigen Stellen dieser FAQ verweisen wir auf Detailtexte in unserem 'Ratgeber Selbstständige'. Der ist in knapp einem Vierteljahrhundert Beratungspraxis der ver.di für Selbstständige entstanden. Diese Detailtexte stehen normalerweise hinter einer Paywall, weil es ziemlich teuer ist, ein umfassendes Ratgeberwerk und diese FAQ aktuell zu halten sowie die individuelle Beratung zu betreiben. Du kannst dich solidarisch zeigen, indem du einen kostenpflichtigen Zugangscode zum Ratgeber bestellst. Noch besser: Mitglied werden, dann bekommst du kostenfrei den Zugriff auf sämtliche Ratgeber-Texte, die Selbstständigen-Beratung und alle übrigen Leistungen der Gewerkschaft bis hin zum Rechtsschutz in Auftragsbeziehungen.

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Corona FAQ für Solo-Selbstständige

Stand: 20.2.2024
Diese FAQ wurde, solange  Hilfen beantragt werden konnten, tagesaktuell gehalten. – Seit Juni 2022 haben wir die Schlagzahl der Updates stark gesenkt.

 

  • Historie und Abrechnung der Soforthilfe (2020) in den Ländern

    Bis Ende März 2020 gab es (teilweise stark unterschiedliche) Soforthilfen der einzelnen Bundesländer. Angeblich, um eine akute Geldnot der Selbstständigen zu verhindern. Dabei ging es kommunikativ ziemlich chaotisch zu, bis klar wurde, dass unter Geldnot nicht die Lebenshaltungskosten gezählt werden sollten. Spätestens Anfang April 2020 hatten alle Bundesländer ihre regionalen Soforthilfeprogramme mit dieser Vorgabe zum Erhalt der Bundesmittel synchronisiert. Allerdings dauerte es wesentlich länger, bis diese schlechte Nachricht unter den Betroffenen klar wurde. Der Kampf, den wir gemeinsam mit vielen Initiativen gegen diese ökonomische Missachtung der Solo-Selbstständigen geführt haben, muss im Nachhinein als weitgehend verloren gelten. Zwar konnte von Beginn an eine ziemlich breite gesellschaftliche Debatte angestoßen werden, die die Solo-Selbstständigen nachhaltig in den Blick geraten ließ, zudem konnte erreicht werden, dass ab 2021 mit den Neustarthilfen eine andere Logik bei den Hilfen Einzug hielt, jedoch entpuppten sich die wirtschaftlichen Hilfen des Jahres 2020 für Viele in der Nachschau nicht als wirtschaftliche Hilfe, sondern als rückzahlbarer Kredit.      

    Um ab März 2020 Hilfsgelder zu erhalten, war anfangs oft lediglich zu versichern, dass eine akute, pandemiebedingte wirtschaftliche Notlage vorliegt. Die Länder-Soforthilfen wurden in den ersten Veröffentlichungen meist als Bypass oder als Ergänzung zu einem noch zu schaffenden Bundesprogramms kommuniziert und bei allen Anlaufschwierigkeiten ungewöhnlich schnell und unbürokratisch ausbezahlt – was sich im Nachhinein überwiegend als trügerische Sicherheit herausstellte.
    Erst Anfang April 2020 kommunizierten die Länder einheitlich, dass es nicht darum gehe, die Existenz von Solo-Selbstständigen zu sichern, sondern allein dafür zu sorgen, dass deren laufenden Zahlungen an Andere, wie etwa Vermieter bedient werden können. Mitte 2021, als die Rückmeldeverfahren anliefen, wurde dann den meisten Antragsteller*innen klar, dass die Soforthilfe vom großspurig angekündigten Unterstützungsprogramm zu einem Kreditprogramm mutiert war, bei dem nur einige Länder (zusätzlich) eine Wirtschaftshilfe oder eine minimale Unterstützung bei den Lebenshaltungskosten vorsahen.
    Insbesondere bei Anträgen, die bis Ende März 2020 gestellt wurden, wich das, was Selbstständige zu den Hilfsbedingungen wissen konnten, oft sehr stark von dem ab, wie sich das die Verwaltungen (im Nachhinein) zurechtgelegt hatten. Die große Diskrepanz zwischen öffentlicher Kommunikation und Verwaltungspraxis schuf viel Verzweiflung und Wut. "Wer die Soforthilfen beantragt hat, um damit im Lockdown Miete, Essen, KiTa-Gebühren oder Kredite zu bezahlen, war dazu nicht berechtigt. Ihre ausgefallenen Einkommen sollten also mit den Soforthilfeprogrammen von 2020 gar nicht ausgeglichen werden", beschrieben wir im August 2021 die inzwischen gefestigte Haltung der Länder in einem Mitgliederbrief als Zwischenfazit zu den Rückmeldeverfahren.  

    So uneinheitlich es bei der Gewährung der Hilfen der ersten Phase zuging, so uneinheitlich waren die Rückmelde- und Abrechnungsverfahren in den einzelnen Bundesländern ausgestaltet. Die in wichtigen Details unterschiedlichen Konditionen, die Soforthilfen überhaupt zu beantragen, erklären den größten Teil der Verwirrung (und des Unmuts), der sich spätestens Anfang April 2020 unter den Empfänger*innen der Hilfen breit machte. – Das bittere Fazit zu den Soforthilfen (und den letztlich verlorenen sozialen Kämpfen um eine wirtschaftliche Unterstützung, die bei abhängiger Beschäftigung und großen Unternehmen gut geklappt hatte) lautet: Die zentrale gesellschaftliche Herausforderung sowie die von der Politik geweckten Erwartungen wurden nicht erfüllt. Eine angemessene wirtschaftliche Hilfe gab es für Großbetriebe und jene die abhängig Beschäftigung anboten, nicht aber für Solo-Selbstständige.
    Die Bedingung, dass ein Liquiditätsengpass allein darin bestehen soll, laufende Verpflichtungen (Mieten, Leasingraten etc.) bedienen zu können, wurde so schlecht kommuniziert, dass dies viele Betroffene nur als vorsätzliche Täuschung empfinden können. Insbesondere jene, die im Vertrauen auf die Soforthilfe darauf verzichteten, für die Lebenshaltung die Grundsicherung zu beantragen. Die (eigentlich selbstverständliche) Erwartung und Forderung, mit Hilfsmitteln nicht nur Gläubiger zu stützen sondern auch Lebenshaltungskosten der Selbstständigen als betriebliche Kosten anzuerkennen, galt in den ersten Tagen der Pandemie als selbstverständlich, wurde anschließend aber kategorisch ausgeschlossen. Diese Fehlentscheidung ist es, die nun Streitigkeiten um die Gültigkeit und Interpretation der ersten Bescheide führte und in der Regel zu hohen Rückforderungen nach der Abrechnung.
    Hinzu kommt: Der Rechtsweg im Verwaltungsrecht hatte eine weitere Tücke, die Viele übersahen: Wer den Abrechngungs- und Rückzahlungsbescheid erhielt hatte nur 30 Tage Zeit, Widerspruch oder Klage einzureichen. Für die allermeisten Betroffenen war eine Klage mit geringen Erfolgsaussichten keine Option und das Fenster der juristischen Gegenwehr schnell geschlossen. Umso wichtiger bleibt es, das Thema und die Erfahrungen politisch am Kochen zu halten, um eine Wiederholung des Dramas bei weiteren Krisen zu verhindern. Es geht beispielsweise darum, ob es gelingt, Erwerbsausfälle in zukünftigen Krisen über eine Erwerbslosenversicherung abzufedern, statt Selbstständige stumpf auf die Grundsicherung zu verweisen.
    Bei den (juristischen) Streitigkeiten über die Rückforderungen kam es vor allem auf die im eigenen (!) Bewilligungsbescheid genannten Konditionen an. Nicht zuletzt, weil die Länder in den ersten Wochen die Bedingungen sowie die Bescheide im Detail beinahe täglich verändert hatten. So wurde fast bundesweit und einheitlich stur auf Regeln beharrt, die für Einzelfälle jenseits einer Krisensituation entwickelt wurden. Das Risiko wurde individualisiert und auf die Antragstellenden verschoben. Beispielsweise von der Investitionsbank Brandenburg die argumentierte, dass "eine angewandte Verwaltungspraxis nicht dauerhaft festgeschrieben ist, sondern sich z. B. im Verlauf einer Krisensituation ändern kann. Da es sich bei der Soforthilfe zudem um eine freiwillige Leistung handelt, auf die kein Anspruch besteht, gibt es auch bei zuvor gestellten Anträgen keinen Vertrauensschutz." Wirklich aussichtsreich schienen Klagen gegen die Bescheide nur in NRW, wo hunderte Verfahren gegen die Schlussbescheide liefen. (Auch dutzende ver.di-Kolleg*innen waren dabei, die mit dem gewerkschaftlichen Rechtsschutz gegen die Rückforderung klagten.) Die drei erstinstanzlichen Entscheidungen (also das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 16.8.22 sowie das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 16.9.22 sowie das Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 23.9.22) sowie schließlich das Urteil des OVG Münster vom 17.3.23 (bzw. die Pressemitteilung zum Urteil) zeigten, dass es richtig war, dass ver.di bereits im Juni 2020 den gewerkschaftlichen Rechtsschutz für Selbstständige auf verwaltungsrechtliche Verfahren um die Soforthilfe ausgeweitet hat. Im Ergebnis allerdings gingen auch die Verfahren in NRW nicht glimpflich aus, es durften - sehr verkürzt gesagt - von der Verwaltung nach den fehlerhaften Bescheiden einfach ein neues Abrechnungsverfahren und neue Bescheide nachgereicht werden.
    [Viele Länder hatten zusätzlich zu den Soforthilfen eigene Sonderprogramme aufgelegt, die ausschließlich für Selbstständige in der Kultur- und Medienbranche zugänglich waren. - Da die als Arbeitsstipendien oder Ähnliches ausgelegt waren, hatte die effektive Unterstützung in diesem engen Segment und mit schmalem Budget besser geklappt als bei den bundesweiten Hilfsprogrammen.]

    Die Rahmenbedingungen der Abrechnung

    Die Abrechnung erfolgt(e) wie die Auszahlung über die (Banken der) Bundesländer. In den meisten Ländern wurden die Fristen für die mögliche Rückzahlung inzwischen auf das vierte Quartal 2023 oder Ende März 2024 verlängert. Für die Abrechnung der Corona-Bundeshilfen wurde ein zentrales Rückmeldeportal eingerichtet. Dass ein immer wieder verlängerter Zahlungsaufschub gewährt wurde und wird ist nur bedingt hilfreich. Wer etwa im Frühsommer 2020 das Geld brauchte, um den Lebensunterhalt zu sichern (und gutgläubig auf andere Hilfen wie die Grundsicherung verzichtet hat) ist letztlich in eine Kommunikationsfalle getappt und zahlt nun real drauf. 

    Das Rückmelde- und Abrechnungsverfahren in den einzelnen Bundesländern
    (aus denen wir entsprechende Hinweise erhalten haben - in nicht genannten Ländern gibt es keine oder nur komplett veraltete Informationen), sieht bzw. sah so aus:

    • Baden-Württemberg hatte ein elektronisches Rückmeldeverfahren, bei dem laut der Erläuterung der L-Bank die Daten bis zum 16.1.2022 eingegeben und beliebig oft geändert werden konnten. Aktuell erläutert die L-Bank in ihren FAQ zum Rückzahlungsverfahren was aus ihrer Sicht zu den Widerrufs- und Erstattungsbescheiden zu sagen ist. In diesen wird die Rückerstattung bis zum 30. Juni 2023 gefordert. Wer das nicht leisten kann, soll sich, so der Text zu den Stundungen, "vor dem Ende der Rückzahlungsfrist, aber bitte nicht vor dem 01.04.2023" mit der Bank in Verbindung setzen, die in der Pressemeldung zum Bescheidversand ab August 2022 vor allem die relativ lange Frist betonte.
      Im Ländle wurden die Daten zu den Coronahilfen bereits Anfang 2022 an die Finanzbehörden übermittelt und darüber, welche Daten das sind, informierte das Land ab August 2022. Auf dieses Schreiben war keine Reaktion notwendig. Nach Medienberichten lag das Volumen der Rückforderungen in Baden-Württemberg bei fast 600 Mio. € der ausgezahlten 2,1 Mrd. € und die Rede ist von bis zu 90.000 Empfänger:innen, die eine Teil- oder Voll-Rückzahlung leisten sollen. Bei der Rückmeldung war nur eine Selbstauskunft nötig, auf Rückfrage aber auch der konkrete Nachweis der Geldflüsse. Wer sich bis Ende Januar 2024 nicht bei der L-Bank zurückgemeldet hatte, bekommt eine Bescheid über die Rückzahlung der Förder-Gesamtsumme. Das Wirtschaftsministerium, so ein SWR-Bericht vom Februar 2024 erklärt zur Rückmeldung schlicht, "es sei von Anfang an klar gewesen, dass die damaligen Prognosen mit der späteren wirtschaftlichen Lage verglichen werden müssten."

    • Bayern hat am 18.4.23 per Pressemitteilung des Wirtschaftsministeriums eine neue Volte im Sachen Rückzahlungen angekündigt: Einen Erlass, nach dem Alleinstehende die bis zu 25.000 € (nach Steuern) verdienen, "nichts zurückzahlen müssen". Für Unterhaltspflichtige sind als Einkommensgrenze sogar 30.000 € vorgesehen. Bei diesen Einkommen wird eine Existenzgefährdung vermutet, die zum Forderungsverzicht führt, weil der "Jahresüberschuss nach Steuern, die weiteren Einkünfte sowie das liquide Betriebsvermögen nicht ausreicht, um die Soforthilfe-Rückzahlung – angenommen wird in allen Fällen eine fiktive Ratenzahlung von 5.000 Euro pro Jahr – zu leisten".
      Das Land hatte ganz ursprünglich kommuniziert, das Land verzichte auf ein generelles Rückmeldeverfahren "da die Bewilligungsstellen bereits im Rahmen der Gewährung der Soforthilfen den Liquiditätsengpass zum Teil umfassend geprüft haben." – Die Kehrtwende kam dann Ende November 2022 mit der Aufforderung zur Abrechnung bis spätestens Ende Juni 2023, die Frist wurde inzwischen bis zum 31.12.2023 verlängert. Seitdem galt die frühere Aussage die Verfahren seinen "für die Verwaltung grundsätzlich abgeschlossen" grundsätzlich nicht mehr. Die Regierung hat dann eine offizielle Seite zum Rückmeldeverfahren aufgesetzt, die eine längere FAQ-Liste und Links zu Grundlagendokumenten enthält, so auch zu einer sehr simplifizierten, beinahe albernen PDF-Berechnungshilfe.
      Wie sich die Regierung das Ganze vorstellt, hat sie in ihren FAQ niedergelegt. Zentral ist die Aussage: „Die nachträgliche Berechnung des tatsächlichen Liquiditätsengpasses anhand von Ist-Werten ist vom Empfänger / der Empfängerin der Soforthilfe selbst und eigenverantwortlich vorzunehmen“ und zwar entsprechend der dort unter bzw. ab 3.4 genannten Kriterien zum Sach- und Finanzaufwand. Besonders relevant dürften für die Meisten die Punkte 3.12 und 3.13 sein. – Dort wird das Verbot, die Mittel zum Lebensunterhalt zu verwenden sowie die bayerische Versagung eines "Unternehmer*innenlohns" noch einmal hervorgehoben.
      Bereits Anfang 2022 war zu ahnen, dass auch Bayern an eine flächendeckende Rückmeldung denkt. Zu diesem Zeitpunkt wurde das Verfahren durch "Hinweise zu einer möglichen Rückmeldeverpflichtung" so beschrieben: Zwar sei bei der Billigkeitsleistung Soforthilfe "im Nachgang kein Kostennachweis über die Verwendung der gewährten Mittel vorzulegen", aber die Empfänger müssten trotdem eine Berechnung des tatsächlichen Liquiditätsengpasses "selbst und eigenverantwortlich" vornehmen. "Vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass - wie in den Richtlinien zu den Corona-Soforthilfen vorgesehen - spätestens ab Anfang 2022 stichprobenartige Überprüfungen stattfinden." – Im Februar 2022 informierte das Land dann alle Empfänger*innen der Soforthilfe, dass und in welcher Höhe eine Mitteilung der erhaltenen Hilfen an die Finanzbehörden erfolgt ist.

    • Berlin erklärte Anfang 2022 über die Informationsseite der Investitionsbank (IBB) zur bevorstehenden Abrechnung der Soforthilfen ab April 2020 lediglich, es würden "sukzessive alle Förderempfänger:innen" angeschrieben. Ergänzt um den Hinweis: Da Berlin die Ressourcen auf die aktuellen Coronahilfen fokussiere, werde darum gebeten, "keine Nachrichten und Anfragen über die verschiedenen Kontaktformulare oder E-Mail-Adressen zu senden".
      Für Mai/Juni wurden dann Stichproben zur Auswertung der Corona Soforthilfen angekündigt und durchgeführt. Laut IBB ist die Auswahl der Empfänger*innen des entsprechenden Schreibens zufällig und es besteht dabei "weder ein Betrugsverdacht noch ein vergleichbarer Verdacht des zweckwidrigen Mittelerhalts". In der FAQ zur Soforthilfe Corona der IBB wurden (ganz oben) entsprechende FAQ als "Informationen zur Stichprobenerhebung" aufgenommen.
      Das in der Abrechnung und den Stichproben gemeinte Soforthilfeprogramm II (für das die Bundesvorgabe "keine Lebenshaltungskosten" gilt) ist zu unterscheiden von der Ende März gestarteten Runde der schnellen, sehr unbürokratischen Mittelvergabe. Die bezeichnet Berlin inzwischen in der FAQ zur Soforthilfe als "Landesförderung in Höhe von 5.000 EUR, bei der auch Personalkosten und persönliche Lebenshaltungskosten für Solo-Selbstständige, Freiberufler und Kleinstunternehmen mit bis zu 5 Beschäftigten abgedeckt waren". Diese Hilfe ist "zum 1. April 2020 ausgelaufen". Die Unterschiede zwischen der Soforthilfe I (nach Landesregeln) und Soforthilfe II (nach Bundesregeln) wird deutlich im Überblicks-PDF der IBB.
      Seit Ende Januar 2022 informiert die IBB zudem über die "bevorstehende Meldung an die Finanzbehörden". Demnach werden seit dem 24.1.22 nach und nach über 400.000 Antragsstellende per E-Mail informiert, "dass die Meldung der Daten an die zuständige Finanzbehörde vorgenommen wird". Die Bank bittet "aus Nachhaltigkeitsgründen", ihre Mitteilung im Antragssystem herunterzuladen, damit sie nicht per Post geschickt werden müssen. 

    • Brandenburg hat Anfang Januar 2022 noch einmal alle Soforthilfe-Empfänger*innen angeschrieben, die noch keine Rückzahlung geleistet haben. Das Land erwartet derzeit die mögliche Rückzahlung bis zum 18.3.2022. Zu dem (um einen Monat verlängerten) Verfahren hat die Landesbank auf der Website eine ziemlich dürre FAQ sowie eine fast schon alberne Excel-Tabelle zur Selbstprüfung erstellt und eine Hotline eingerichtet, die (bis 18.3.22) Montag bis Freitag, 9 bis 16 Uhr unter 0331- 2318 2298 erreichbar ist.
      Der Liquiditätsengpass ist in diesem Land definiert als "die Differenz zwischen den betrieblichen Einnahmen und [förderfähigen] Ausgaben für einen Zeitraum von drei aufeinander folgenden Monaten nach der Antragsstellung". Demnach müssen also Verluste gemacht worden sein, um die Hilfen (anteilig) behalten zu dürfen. Bei jenen, die sich bis zum 18.3.2022 nicht zurückmelden, geht das Land davon aus, "dass Ihre ursprüngliche Annahme zur Höhe des Liquiditätsengpasses tatsächlich eingetreten ist und damit kein weiterer Handlungsbedarf besteht", droht aber gleichzeitig damit, dass eine Überprüfung bspw. der Steuererklärung 2020 stattfinden kann und bei Verdacht auf Subventionsbetrug auch eine Strafanzeige kommen kann.

    • Hamburg hat Mitte Juli 2021 mit seinem Rückmeldeverfahren begonnen. In der Hansestadt wurden alle 54.000 Empfänger*innen der Corona-Soforthilfen aufgefordert, sich innerhalb von 30 Tagen nach Erhalt des Erinnerungsschreibens und allerspätestens (nur auf Antrag in begründeten Ausnahmefällen) bis zum 31.10.21 zurückzumelden. Zu dem Verfahren hat die IFB-Bank eine FAQ-Hilfe erstellt - wir empfehlen natürlich vor allem die ausführlichen und verständlichen Erläuterungen der Hamburger ver.di-Selbstständigen.
      In Hamburg besteht eine gewisse Sondersituation, weil es zusätzlich zu den Bundeshilfen eine Landeshilfe für Solo-Selbstständige in Höhe von 2.500 € gab. Zu der schreibt die IFB im (oben verlinkten) Text zum Verfahren, diese Pauschale werde "als Umsatzkompensation gewertet, daher müssen hierfür keine Nachweise geführt" und in der Liquiditätsengpass-Berechnung "daher nicht berücksichtigt werden", der im eAntrags-Portal ermittelte Liquiditätsengpass beziehe sich auf den Betrag, der "aus Bundesmitteln gezahlt wurde". Der Zeitraum für die zinslose Stundung der Rückforderungen wurde von Ende April 2022 auf Ende Dezember 2022 verlängert.

    • Mecklenburg-Vorpommern hat ein Erinnerungsschreiben an alle Soforthilfe-Empfänger*innen versandt und über das Landesförderinstitut einige (wenige) Erläuterungen zum Anschreiben sowie eine ebenfalls eher spärliche Berechnungshilfe zur Rückzahlung als Excel-Datei erstellt.

    • Niedersachsen hat via N-Bank zum Rückzahlungsprozess im Land einige schriftliche Hilfen erstellt und dort auch "Zoom-Webinare zu Praxisfragen zum Meldeverfahren und zur Ermittlung einer eventuellen Überkompensation zur Soforthilfe 2020" angeboten. Die FAQ zur Überkompensation der N-Bank wird auf deren Seite ergänzt durch ein Excel-Musterberechnungstool. Am besten dürfte es jedoch sein, das interaktive Tutorial der IHK in Oldenburg als Schritt-für-Schritt-Anleitung zu verwenden. Die Frist für Rückzahlungen wurde in dem Land von Ende Februar auf Ende Oktober 2022 verlängert.

    • Nordrhein-Westfalen hatte im Dezember 2020 als erstes und größtes Bundesland mit dem Abrechnungsverfahren der Soforthilfe begonnen: Rund 430.000 Empfänger*innen der NRW-Soforthilfe wurden per Mail über den Beginn der Abrechnung informiert. Dass es da nicht mit rechten Dingen zuging, haben inzwischen drei erstinstanzliche Urteile gezeigt. Bereits im ersten Urteil vom 16.8.22, einem Urteil des Verwaltungsgericht Düsseldorf, steht, wo (in ganz NRW) der Wurm drin war: "Die in den Bewilligungsbescheiden zum Ausdruck gekommene Verwaltungspraxis des Landes stimmte mit den in den Schlussbescheiden getroffenen Festsetzungen nicht überein. Während des Bewilligungsverfahrens durften die Hilfeempfänger auf Grund von Formulierungen in online vom Land bereit gestellten Hinweisen, den Antragsvordrucken und den Zuwendungsbescheiden eher davon ausgehen, dass pandemiebedingte Umsatzausfälle für den Erhalt und das Behaltendürfen der Geldleistungen ausschlaggebend sein sollten. Demgegenüber stellte das Land bei Erlass der Schlussbescheide auf das Vorliegen eines Liquiditätsengpasses ab, der eine Differenz zwischen den Einnahmen und Ausgaben des Geschäftsbetriebes, also einen Verlust, voraussetzte. Dies ist rechtsfehlerhaft, weil diese Handhabung von der maßgeblichen Förderpraxis abwich."
      Dieser Einschätzung, die das Düsseldorfer Gericht in seine Pressemitteilung schrieb, sind weitere Gerichte in NRW gefolgt und das Oberverwaltungsgericht in Münster (OVG) hat die Kritik der ersten Instanzen bestätigt und damit die Entscheidlungsgrundlage für die rund 2.500 noch erstinstanzlich anhängigen Klagen geschaffen. 
      Das Urteil des OVG Münster vom 17.3.23 (siehe auch die Pressemitteilung zum Urteil) war ein beachtlicher Erfolg. Für Alle, die seit April 2020 darauf beharren, dass in den ersten Bewilligungsbescheiden keine Rede davon war, dass Selbstständige mit der vom damaligen Finanzminister Olaf Scholz angekündigten "Bazooka" lediglich laufende Zahlungen bedienen sollten. Es wurde aber auch klar, dass der gerichtliche Weg nur eine begrenzte Wirkung hatte und für eine breite Wirkung der politische Druck entscheidend bleibt. Nicht zuletzt, weil das Land in seiner FAQ zum Rückmeldeverfahren zu den Urteilen ausdrücklich (und sachlich richtig) feststellt: "Die Urteile binden grundsätzlich nur die am Klageverfahren Beteiligten. Von den Verfahren gehen keine unmittelbaren Rechtswirkungen bei gleichgelagerten Fallkonstellationen für andere Soforthilfe-Empfängerinnen und -Empfänger aus." HInzu kommt die überschaubare Wirkung für diese Beteiligten: Zwar durfte NRW für die erste Phase (die mit dem völligen Kommunikations-Chaos) die Verwendung der Hilfen für den Lebensunterhalt nicht ausschließen, aber wie die Gerichts-Pressemeldun zum OVG-Urteil mitteilt, galt das nur "sofern das Existenzminimum des Selbstständigen nicht durch Sozialleistungen abgedeckt worden war". In dem Fall "durften bis zum 1.4.2020, 13:30 Uhr, bewilligte Mittel auch dann eingesetzt werden, wenn die Umsätze des geförderten Betriebs nicht einmal mehr ausreichten, um dieses Existenzminimum finanzieren zu können". Nach diesem Stichtag, so das OVG, "war sowohl in den Kurzfakten des Bundes als auch in den Informationen des Landes ... übereinstimmend klargestellt, dass der Lebensunterhalt ... nicht durch die Soforthilfe, sondern durch Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II abgesichert werden sollte".
      Nochmal: Profitieren können von dem Urteil rein rechtlich ohnehin erst einmal nur jene, die sich fristgerecht gegen den Schlussbescheid gewehrt haben. Gegen andere, bereits rechtskräftige Bescheide ist eine juristische Gegenwehr nicht mehr möglich, hier müsste die Politik entscheiden, die Rückforderung zu stoppen. Hierzu gibt es eine Petition der ver.di-Selbstständigen in NRW, an der ihr euch immer noch beteiligen könnt. 
      Konkrete juristische Hilfe gab es von Seiten der Organisationen für Selbstständige übrigens leider nur für ver.di-Mitglieder sowie die Mitglieder der 'IG Soforthilfe NRW'. Andere Verbände oder Initiativen konnten oder wollten dafür kein Geld in die Hand nehmen. (Unsere Gewerkschaft hatte bereits im Juni 2020 ihren Rechtsschutz für Selbstständige bundesweit auf die Verfahren um die Soforthilfe ausgeweitet und führt vor allem in NRW Klagen zum Thema.) Was die Politik angeht, bleibt das Wirtschaftsministerium in NRW trotz Politikwechsel bei der Haltung, fast alles richtig gemacht zu haben. Da unterscheiden sich die Handschrift des zu Corona-Beginn amtierenden FDP-Wirtschaftsministers nicht fundamental von der der Folgeregierung. Dass seit Mai 2022 die Grünen in NRW mitregieren und das Wirtschaftsministerium führen, zeitigt beim Thema Soforthilfe und deren Rückzahlung keine gravierenden Unterschiede. Die FAQ zur Rückmeldung der Landesregierung erläutern (in Punkt 3) zur strittigen Frage, ob und wie Lebenshaltungskosten bei der Abrechnung der ersten Hilfen berücksichtigt werden, lediglich die zwischenzeitlich eingeführte Beschwichtigungslösung, die die juristischen Auseinandersetzungen begrenzen sollte:
      Solo-Selbstständige die den Antrag im März oder April 2020 gestellt hatten und keine Grundsicherung erhielten, durften "einmalig einen pauschalen Betrag für die Monate März und April [2020] von insgesamt 2.000 € für Lebenshaltungskosten bzw. einen (fiktiven) Unternehmerlohn ansetzen." Ansonsten beharrt die FAQ (in Punkt 2) auf der Berechnung des Liquiditätsengpasses als reiner Vergleich der betrieblichen Einnahmen und Ausgaben. Und zwar nach dem Prinzip: Abgerechnet wird zwingend ein dreimonatiger Zeitraum. (Der konnte tagesgenau ab Antrag beginnen, am ersten Tag des Antragsmonats oder auch am ersten Tag des Folgemonats.) Als Alternative zur Abrechnung nennt die FAQ ausschließlich "komplett auf die NRW-Soforthilfe 2020 zu verzichten. ... Diese Option kann sich anbieten, wenn bei Ihnen im Förderzeitraum keine betrieblichen Kosten angefallen sind und somit kein Liquiditätsengpass vorgelegen hat."

    • Rheinland-Pfalz hatte bis Oktober 2023 kein allgemeines Rückmeldeverfahren gestartet, sondern machte seit Mai 2022 Stichproben, zu denen ein SWR-Bericht vom 12. Juli 2023 zu berichten wusste, dass bereits "mehr als 8.200 Kleinunternehmen und Selbständige" eine Rückzahlung geleistet hätten. Die zuständige Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz (ISB) selbst hat auf ihrer Themenseite zu den Hilfen lange lediglich auf ein PDF der Handelskammern verwiesen, in dem - Stand Juli 2020 (!) - nur generelle Fragen beantwortet werden. Inzwischen ist dort neben veralteten Informationen ein schütterner Hinweis auf die Abrechnung über das Bundesportal zu finden. Laut Bericht der Rhein-Zeitung vom 11.10.23 ist inzwischen eine generelle Überprüfung angelaufen: "Die ISB schreibt als Förderbank des Landes etwa 69.300 Kleinstunternehmen und Soloselbstständige an (...) Sie alle müssen jetzt digital belegen, ob sie auch tatsächlich vollen Anspruch auf diese Corona-Soforthilfen hatten."

    • Schleswig-Holstein hat über die Investitionsbank (IB.SH) Mitte und Ende August 2021 per Mail an die mögliche Rückzahlung der Soforthilfe erinnert. Auf der Website der IB.SH finden sich Hinweise zur Prozedur und im unteren Bereich eine FAQ-Liste zur Rückzahlung. Hier und im Download-Abschnitt dieser Seite werden ausschließlich Erläuterungen und Dokumente wie zum Beispiel eine Abrechnungshilfe auf Grundlage der jüngsten Bedingungen für die Bundeshilfen gegeben.
      Die IB.SH weist in ihren FAQ zu der Landeshilfe darauf hin, dass die Rückmeldung grundsätzlich über den „individuellen Zugangslink zum Pro-Nord-Antragsportal“ erfolgen soll. Nur wenn das nicht möglich ist, soll die Meldung der Überkompensation per E-Mail an soforthilfe-aenderungsantrag@ib-sh.de erfolgen. In diesem Fall gehört laut Bank „unbedingt Ihre Antragsnummer aus Ihrem Zuwendungsbescheid in der Betreffzeile Ihrer E-Mail“.
      Laut NDR-Bericht vom 15.12.21 hatten bis zum Dezember von den 56.000 Empfänger*innen der Soforthilfe erst 9.000 die Nachweise an die Bank geschickt. Wer sich nicht in der Frist meldet, soll laut IB.SH mit Einzelprüfungen und gegebenenfalls auch mit einer Anzeige wegen Subventionsbetrug rechnen. – Der Landeswirtschaftsminister Bernd Buchholz (FDP) teilte laut NDR-Bericht dazu mit, das Land werde in Sachen Prüfung "gegebenenfalls, nochmals tiefer gehen. Stichprobenartig, aber die Stichprobe ist relativ groß."

    Die Strafverfahren wegen Subventionsbetrug

    Bundesweit begannen die Staatsanwaltschaften im Frühjahr 2021 mit Ermittlungsverfahren, ob bei der Auszahlung oder den Anträgen zu den Soforthilfen des Frühsommers 2020 ein Subventionsbetrug vorliegt. – Klar: Es gab auch kriminelle Versuche, sich die Hilfen unter den Nagel zu reißen. Die meisten dieser Versuche sind schnell aufgeflogen und waren dilletantisch bis dummdreist. Sie stammten auch nicht von in Not geratenen Selbstständigen oder jenen, die eine Notlage befürchten mussten.
    Umso unverständlicher, wie rabiat insbesondere die Berliner Staatsanwaltschaft auf der Suche nach betrügerischen Aktivitäten vorging und wer in ihr Visier geriet: für die Staatsanwaltschaft der Hauptstadt galt es schon als Indiz für Betrug, wenn Selbstständige das erhaltene Geld schnell zurückgezahlt haben. Wem also kurz nach der Überweisung der ersten Soforthilfe klar wurde, dass die finanziellen Folgen der Pandemie geringer ausfallen, als in den ersten Wochen befürchtet, wurde unter Anfangsverdacht gestellt. Anfang September 2021 wurden dann knapp 96 Prozent der Verfahren wieder eingestellt und nur in 1,16 Prozent der Fälle wurde auch ein Strafbefehl erlassen, berichtete der Tagesspiegel. zu den Ermittlungen, die seit Anfang Juni – siehe RBB Bericht – auch politisch einige Wellen geschlagen hatten.
    Grundsätzlich gilt: Sorgen, tatsächlich wegen Subventionsbetrug belangt zu werden, muss sich nur machen, wer wissentlich oder grob fahrlässig falsche Angaben gemacht und die nie korrigiert hat. Umgekehrt gilt: Wer beispielsweise im Rahmen der Steuererklärung 2020 feststellt, dass die wirtschaftliche Lage in den Monaten, für die Soforthilfen beantragt und gezahlt wurden, wesentlich besser ausfiel als befürchtet, sollte eine Rückzahlung in Betracht ziehen, bevor sich die Staatsanwaltschaft meldet. Auch deshalb, weil die Staatsanwaltschaften, so der Steueranwalt Grunst am 2.9.21, bei den Ermittlungen "nunmehr vermehrt bei den Finanzämtern die Übersendung der Steuerakten der Beschuldigten" beantragen und diese dann auch bekommen. Sein Beitrag zum Thema befasst sich insbesondere mit der Frage, auf welcher Grundlage hier das Steuergeheimnis durchbrochen wird.

     


  • Neustarthilfen vom Januar 2021 bis Juni 2022

    Für die Neustarthilfen in 2022 endete die Antragsfrist (für Erstanträge) am 15. Juni 2022. Auch für die Hilfen des zweiten Quartals (mit monatlich 1.500 €) die ab dem 13.4.22 per Direktantrag angefordert werden konnten. Anders als zuvor wurde seit dem 19. Mai 2022 für laufende Anträge sowie bei Überprüfungen plötzlich zusätzlich zu den wirtschaftlichen Angaben eine "vorherige Erläuterung des Coronabezugs" verlangt. Die verursacht(e) einigen Ärger, der wohl in vielen Fällen erst vor den Verwaltungsgerichten geklärt werden kann. So wie es aussieht, hat das BMWK (früher BMWi) die ausführenden Länder bzw. deren Bewilligungsstellen angewiesen, Anträge entsprechend strenger zu prüfen. In der Praxis bedeutet das, dass Antragsteller*innen neben der eigenen Tätigkeit auch konkrete die Betroffenheit durch staatliche Coronamaßnahmen und/oder die individuellen Auswirkungen der Pandemie auf das eigene Geschäft ab April 2022 darlegen müssen. Auf den ersten Blick sah das aus wie ein Filter, um Anträge auszusortieren, bei denen offensichtlich der Umsatzrückgang nicht auf die Pandemie zurückzuführen ist. Tatsächlich aber hatten wir das Feedback, dass prüfende Stellen argumentieren: "Da es keine staatliche Coronamaßnahmen mehr gibt, glauben wir nicht, dass ein Umsatzrückgang coronabedingt ist." Wie  in diesen Fällen eine plausible, gerichtsfeste Prüfung aussehen soll, ob ein Auftragsmangel (ab April 2022) pandemiebedingt ist oder nicht, ist uns schleierhaft. – Ob und wie viele Prozesse um das Thema geführt werden mussten, wissen wir leider nicht, können uns aber nicht vorstellen, dass die Verwaltungsgerichte das in jedem Fall so nicht durchgehen lassen. (Und wir sind an gerichtlichen wie außergerichtlichen Erfahrungen mit der nachgeschobenen Klausel interessiert. Schicke die bitte in Stichworten an uns, das ver.di-Referat Selbstständige.)
    Unser Zwischenfazit: Es wurde hier ohne Not eine weitere Grauzone geschaffen, die mindestens zur Verunsicherung der corona-gebeutelten Solo-Selbstständigen führt. Warum hier ausgerechnet bei vergleichsweise kleinen Summen und kurzer Laufzeit ein Beschäftigungsprogramm für Anwält*innen und Verwaltungsgerichte sowie eine Ungleichbehandlung riskiert wird, ist uns unverständlich. Die Tendenz, die Hilfen unprofessionell, verspätet, verwirrend und verunsichernd zu gestalten, wird mit der neuen Hürde der geforderten Begründung leider konsequent durchgehalten.

    Inhalt und Umfang der (nicht mehr zu beantragenden) Neustarthilfen

    Amtliche Informationen zur den aktuellen Neustarthilfen für das erste sowie das zweite Quartal 2022 stehen wie die offizielle FAQ zur Neustarthilfe 2022 auf dem Regierungsportal. Bereits am 16.2.22 wurde die derzeit aktuelle „Neustarthilfe 2022 Zweites Quartal“ angekündigt (also die Verlängerung auf den Zeitraum April bis Juni 2022), aber erst rund zwei Monate später ermöglicht. Zwischenzeitlich wurde (am 18.3.2022) dann noch ein Wahlrecht zwischen der Neustarthilfe Plus und der Überbrückungshilfe III Plus eingeführt. Siehe dazu den neuen Punkt 7 in der FAQ zur Neustarthilfe Plus. Das nachträgliche Wahlrecht zwischen Neustarthilfe 2022 und Überbrückungshilfe IV wurde am 13.5.22 in die offizielle FAQ zur Neustarthilfe 2022 als Punkt 7 eingebaut.
    Seit dem 20.5.22 gibt es nach dem Antrag keine automatische Vorschusszahlung mehr. Erst nach dem Bescheid gibt es Geld und den Bescheid nur dann, wenn vorher dargelegt wird, warum der Engpass durch die Corona-Pandemie verursacht wurde. 

    Die beiden Neustarthilfen 2022 wurden wieder als eigenständige Hilfen mit jeweils einem Vierteljahr/Quartal Betrachtungszeitraum gestaltet. Das kann – je nach Geschäftsverlauf in den einzelnen Quartalen – auch dazu führen, dass die Hilfen insgesamt geringer ausfallen, als würden sie für längere Zeiträume berechnet. Diese Logik galt bereits ab der Neustarthilfe Plus (Juli bis Dezember 2021). Die zusammenfassenden Beschreibung der Plus-Varianten in 2021 sowie die FAQ zur Neustarthilfe Plus erläuterten die Stückelung der Hilfen so: "Da der Gesamtförderzeitraum ... verlängert wurde, gibt es ... einen eigenen Antrag. So können Antragstellende entscheiden, ob sie entweder nur für eines der beiden Quartale Neustarthilfe Plus beantragen oder für beide Quartale."

    Die Berechnung der Neustarthilfen erläutert die Regierung in der FAQ 3.2 (Vorschuss) und FAQ 3.4 (Abrechnung) zur Neustarthilfe 2022. Die Berechnung der älteren Neustarthilfe Plus ist analog in der eigenen FAQ unter 3.5 und 3.6 beschrieben. Was Viele nicht wissen: "Sowohl bei der Berechnung des Referenzumsatzes als auch bei der Endabrechnung werden Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit ... berücksichtigt."  Das und was sonst - in allen Varianten - noch berücksichtigt wird, steht in der FAQ 3.6. Und positiv gewendet in der FAQ 3.5. In früheren Versionen stand dort, es "werden sogar die Einnahmen aus Ihrer unselbständigen Arbeit zu ihren selbstständigen Umsätzen hinzuaddiert, wodurch Sie eine entsprechend höhere Neustarthilfe erhalten können." (Inzwischen ist das dezenter formuliert.) 
    Für Tantiemen von einer Verwertungsgesellschaft gibt es eine Sonderregel: Die müssen ebenfalls angeben werden (sowohl für den Vergleichs- als auch den Bezugszeitraum), in die Berechnung fließen aber nur die Vergütungen ein, die in 2019, 2021 und 2022 für die Vorjahre 2018, 2020 und 2021 geflossen sind (also nicht die Nachvergütungen für andere Jahre).

    Auf Grundlage der jeweils bekannten Informationen hatten wir seit November 2020 unseren Excel-Rechner zu den Neustarthilfen erstellt und kontinuierlich an die Veränderungen angepasst. Die aktuellste Version vom Januar 2022 berechnete auch die Plus- und die 2022-Varianten. Der Rechner sollte und konnte eine möglichst genaue Abschätzung zu den möglichen Rückzahlungen ermöglichen. Für die verbindliche Endabrechnung musste das Online-Tool der Ministerien benutzt werden. 
    Die rechtliche Grundlage und die Rahmenbedingungen zur Neustarthilfe in 2022 ist ab Seite 14 (unter dem Stichwort Betriebskostenpauschale) im Auszug aus Vollzugshinweisen für die Gewährung von Corona-Überbrückungshilfe zu finden, die die Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern ergänzt.

    Seit Ende Oktober 2021 war die Endabrechnung der ersten Neustarthilfe (Januar bis Juni 2021) für die Direktanträge möglich – hier endete die Abrechnungsfrist Ende 2021. Die Rückzahlungen sollten ursprünglich bis zum 30. Juni 2022 erfolgen. Als Abrechnungsfrist für die Plus-Varianten (Juli bis Dezember 2021) galt nach Verlängerung der 30. Juni 2022, die Rückzahlung sollte bis zum 31.12.2022 erfolgen. Für Anträge, die über "prüfende Dritte" eingereicht wurden, gilt in allen Varianten eine längere Frist. Eine Fristenübersicht steht auf der offiziellen Informationsseite zur Endabrechnung und dort auch der Hinweis: "Wenn Sie die Neustarthilfe selbst beantragt haben, müssen Sie auch die Endabrechnung direkt einreichen. Wenn Sie die Neustarthilfe über prüfende Dritte beantragt haben, müssen Sie auch die Endabrechnung über prüfende Dritte einreichen." Die Endabrechnung so die Informationsseite erfolgt "nach und nach für die Neustarthilfe, Neustarthilfe Plus Juli bis September und Neustarthilfe Plus Oktober bis Dezember".
    Die Abrechnung selbst war kein Hexenwerk und erfolgte genau so, wie sie unser Excel-Rechner prognostizierte. - Waren die Angaben erst einmal über das Antragsportal berechnet und übermittelt worden, konnten sie nicht mehr geändert werden. Nach dem Zeitplan der Regierung ging es bei der Abrechung der ersten Neustarthilfe so weiter:
    • Dem vorläufigen Bescheid nach Übertragung der Abrechnung folgten Anfang bis Mitte 2022 die endgültigen Bescheide der Bewilligungsstellen.
    • Wenn bei der Neustarthilfe eine Rückzahlung fällig war, sollte die ursprünglich bis zum 30. Juni 2022 geleistet werden. (Unangenehm war der Zeitplan für all jene, die (aus steuerlichen Gründen) das Geld lieber noch in 2021 zurückgegeben hätten. Hier erhielten die Zahlungswilligen die Auskunft, dass die Rückzahlung erst nach Übersendung des endgültigen Bescheids im Frühjahr 2022 möglich sei.)

    Trotz Nachbesserungen war die Höhe der Neustarthilfen weit entfernt von einem echten Einkommensersatz wie ihn ver.di forderte. Leider hatten sich nur zwei Bundesländer entschieden, die spärliche Bundeshilfe durch Aufstockung aus Landesmitteln zu ergänzen. Die hatten Mitte Mai 2021 ihre Lösungen vorgestellt, die insbesondere Selbstständigen im unteren Einkommensbereich zugutekommen: Mit der 'Neustarthilfe Berlin' erhöhte das Land für Soloselbstständige die 50%-Umsatzersatzersatzgrenze (siehe weiter unten) für das erste Halbjahr auf bis zu 75%. Baden Württembergs fiktiver Unternehmerlohn sah eine ähnliche Ergänzungsleistung vor: Konkret gab es fürs erste Halbjahr 2021 monatlich 1.000 €, wenn der Umsatz um mindestens 30 % eingebrochen war.

    Die wesentlichen Details zu den Neustarthilfen stehen in den FAQ zur Neustarthilfe (Januar bis Juni 2021), den FAQ zur Neustarthilfe Plus (Juli bis Dezember 2021) sowie den FAQ zur Neustarthilfe 2022. Die mit Beispielen versehenen kurzen Erläuterungen auf dem Antragsportal können helfen das Prinzip der Hilfen zu verstehen, die im Kern so aussehen:

    • Soloselbstständige können statt einer Erstattung von Fixkosten (also, wenn keine Überbrückungshilfe beantragt wird), als "einmalige Betriebskostenpauschale" die Neustarthilfe ansetzen.
    • Die maximale Betriebskostenpauschale beträgt 7.500 € bei der ersten Neustarthilfe und maximal 4.500 € bei den Varianten, die jeweils ein Quartal abdecken.
    • Die Neustarthilfe darf maximal 50 % des Referenzumsatzes betragen.
    • Der Referenzumsatz ist bei allen Hilfen strukturell gleich: für die Neustarthilfe galt die Hälfte des Jahresumsatzes in 2019 als Referenz, bei der Plus-Variante und der 2022er-Hilfe das dreifache des Monatsdurchschnitts-Umsatzes in 2019. (Es gibt Sonderregelungen für Sondersituationen wie Erziehungszeiten, spätere Gründung etc.)
    • Die Neustarthilfen stehen hauptberuflich Soloselbstständigen zu, also jenen, die ihr Einkommen im Referenzzeitraum zu mindestens 51 % aus selbstständiger Tätigkeit erzielt haben. Zusätzlich können bestimmte unständig Beschäftigte (etwa Schauspieler*innen) diese Hilfen beantragen.
    • Die volle Hilfe darf behalten, wessen Umsatz im Vergleich zum Referenzumsatz um mehr als 60 % zurückgegangen ist.
    • Die Betriebskostenpauschalen (also die Neustarthilfen) werden zu Beginn der Laufzeit als Vorschuss ausgezahlt.
    • Sollte der Umsatz bei über 40 Prozent (des Referenzumsatzes) liegen, sind bei den Hilfen Rückzahlungen fällig. Zusätzlich wurde eine Kappungsgrenze eingeführt: Umsatz und die Förderung dürfen gemeinsam nicht über 90% des Referenzumsatzes liegen.
      Die möglichen Rückzahlungen sind nicht (wie Ende 2020 geplant) gestaffelt, sondern dynamisch ausgestaltet: Liegt der Umsatz bei oder über 90 % muss die Neustarthilfe komplett zurückgezahlt werden. Bei einem Umsatz zwischen 40 und 90 % hingegen ist jeweils zu errechnen, wie hoch Vorschusszahlungen plus Umsatz plus (was eher versteckt kommuniziert wird) andere Einkünfte etwa Löhne oder Renten ausfallen.
    • Die Abrechnung musste bei der ersten Neustarthilfe bis 31.12.21 erfolgen, bei der Neustarthilfe Plus bis Ende März 2022. Die Rückzahlung wird bis zum 30.9.22 erwartet. Für die Neustarthilfe 2022 gilt: Antrag bis 15.6.22, Abrechnung bis 30.9.22 erwartet.
    • Anträge sind auch über 'prüfende Dritte' möglich. Es werden bei maximal 5.000 € Förderung bis zu 250 € Beratungskosten ersetzt, darüber beträgt der Zuschuss fünf Prozent der bewilligten Fördersumme. (Siehe auch FAQ 4.3 zur Neustarthilfe 2022) Für die Dritten ist eine Abrechnung bis Ende 2022 möglich.
    • Die Hilfen sind als Zuschüsse zu den Betriebskosten nicht auf Leistungen der Grundsicherung anzurechnen. Auch bei der Ermittlung des Einkommens zur Bestimmung des Kinderzuschlags finden sie keine Berücksichtigung.
    • Es handelt sich um einen steuerbaren Zuschuss.
    • Seit Ende April 2021 gibt es ein (nachträgliches) Wahlrecht: Es kann zwischen Neustart- und Überbrückungshilfe gewählt werden.

    Unsere Bewertung zu den Neustarthilfen: Natürlich waren die ver.di-Selbstständigen nie der Meinung, dass die Neustarthilfen des Jahres 2021 und die Verlägerung in 2022 ein großer Wurf waren. Allerdings war es uns gemeinsam mit anderen gelungen, so viel Druck zu machen, dass Anfang 2021 endlich (und erstmals) eine Hilfe geschaffen und anschließend verlängert wurde, die allen von der Pandemie betroffenen Solo-Selbstständigen zugängliche ist. Kritisch blieb und bleibt bei zukünfigen wie gegenwärtigen Krisenfolgen für Solo-Selbstständige die Frage, ob und wie für sie endlich ein echter Einkommensersatz in das System (bzw. den bisherigen Wildwuchs) von Hilfen und Sozialleistungen integriert wird. – Anders: Das Thema "Hilfe für den Lebensunterhalt" liegt weiter auf dem Tisch. Daran hatte sich durch die Neustarthilfe und deren Plus-Variante nichts Wesentliches geändert. – Diese Hilfen konnten mit gutem Willen als Einstieg in eine Hilfe zum Lebensunterhalt für Selbstständige gedeutet werden, bedeuteten aber in der mickrigen Ausgestaltung, dass sehr vielen Selbstständigen, die pandemiebedingt hohe Gewinneinbrüche hatten und haben, statt Wirtschaftshilfen nur die Grundsicherung (ggf. aufgestockt durch die Neustarthilfen) zum Überleben bleibt. Das gilt nicht nur für das Jahr 2021 und bis Ende 2022 (bis dahin ist der erleichterte Zugang verlängert worden). Unsere Vorstellungen für einen echten Einkommensersatz sehen anders aus.
    Völlig indiskutabel waren übrigens die ersten Planungen zur Neustarthilfe, die Mitte November 2020 begannen. Erst Mitte Januar 2021 wurden die Konditionen deutlich verbessert, weil ver.di, andere Interessenvertretungen, Einzelne und Medien klar machen konnten, dass die ursprünglich angesetzten Zahlungen nicht nur unzureichend sondern schlicht eine beleidigende Missachtung der Solo-Selbstständigen waren. (Details zum Update im Informationsschreiben des Finanzministeriums vom 19.1.21 ab Seite 4.) – Am 17.11.20 hatten wir die ersten Pläne sowie unsere Forderung nach 75% Einkommensausfall in einem Mitgliederbrief zur Diskussion gestellt. Aus den Rückmeldungen der Mitglieder hat die Bundeskommission Selbstständige die ver.di-Vorstellungen zum Einkommensersatz erstellt.
    [Dass die Neustarthilfe als Teil der Überbrückungshilfe kommuniziert wurde (die wir im nächsten Reiter beschreiben), verringert die Übersicht. Einfacher wäre es gewesen ein echtes Sonderprogramm für Solo-Selbstständige aufzulegen, dieses mit deutlich mehr Mitteln auszustatten und die Abrechnung den Finanzämtern zu überlassen. Damit hätten auch die Verluste aus 2020 bzw. 2021 kompensiert werden können. Auch fällt die Neustarthilfe sehr mager aus. Sie deckt selbst in der Plus-Variante maximal 1.500 € im Monat ab. – Meistens dürfte der errechnete Betrag noch geringer ausfallen.]

     


  • Überbrückungshilfe 3 und 4 (ab 2022)

    Für die Überbrückungshilfe 3 (Ü3) in der bis Jahresende 2021 laufenden Variante 'Ü3 Plus', die über prüfende Dritte (also Steuerberater*innen etc.) seit Juli 21 beantragen werden konnte, wurde die Antragsfrist mehrfach verlängert – zuletzt bis Ende Juni 2022. Genauso lange sollte auch das Folgeprogramm Überbrückungshilfe 4 (Ü4) laufen. Ursprünglich nur für das erste Quartal 2022 gedacht, wurde nach der Runde der Länderchef*innen am 16.2.22 eine Verlängerung bis Ende Juni 2022 per Pressemitteilung angekündigt und anschließend beschlossen. Die Anträge zur Ü4 konnten seit dem 1.4.22 gestellt werden - allerdings nur bis zum 15.6.22, da, so das Wirtschaftsministerium (BMWK) in einer Mitteilung vom 1.4.22 "das Temporary Framework als beihilferechtlicher Rahmen der Überbrückungshilfen Ende Juni ausläuft". Aus diesem Grund muss auch das Wahlrecht zwischen Ü4 und Neustarthilfe bis Mitte Juni ausgeübt werden. In dieser Mitteilung weist das BMWK auch noch einmal ausdrücklich darauf hin, dass Umsatzeinbrüche, die durch den Krieg um die Ukraine verursacht sind im Rahmen der Überbrückungshilfe IV nicht ersetzt werden.

    Für die Einzelfragen und die Details zu den Hilfen waren und sind die FAQ, also die die Überbrückungshilfe-3-Plus-FAQ sowie die Überbrückungshilfe-4-FAQ der Ministerien für Finanzen und Wirtschaft relevant. Kurzgefasst: Die Überbrückungshilfen 3 Plus und 4 sind eine reiner Fixkostenersatz ohne Erstattung von Lebenshaltungskosten. Den Zuschuss bekommen Unternehmen, die coronabedingte Umsatzrückgänge von mindestens 30 Prozent in den einzeln betrachteten Fördermonaten haben. Verglichen wird da mit dem gleichen Monat in 2019. Es gibt einige Sonderkonstellationen (insbesondere für später Gründende) und Sonderbestimmungen. So dürfen Soloselbstständige (und Kleinstunternehmen) seit März 2021 wahlweise mit dem Monatsdurchschnitt des Jahresumsatzes 2019 vergleichen. Erstattet werden von den förderfähigen Fixkosten:

    • bis zu 90 % beim Umsatzeinbruch über 70 % (Bei der Ü3 waren das noch 100%)
    • bis zu 60 % beim Umsatzeinbruch zwischen 50 % und 70 %
    • bis zu 40 % bei Umsatzeinbruch zwischen 30 % und unter 50 %

    Die konkrete Definition für förderfähige Fixkosten steht im Punkt 2.4 der FAQ zur Ü4, seit März 2021 sind das auch neue Fixkosten soweit sie "betriebsnotwendig ... beziehungsweise zur Aufrechterhaltung des Betriebs erforderlich sind". In dem Punkt 2.4 der FAQ findet sich neben solchen Spezialitäten vor allem die Liste der 16 förderfähigen Ausgabenbereiche. Sie reicht von "Mieten und Pachten" bis "Gerichtskosten bei Restrukturierungen". Die Branchensonderregelungen für die Veranstaltungs- und Kulturbranche finden sich in den Punkten 2.6 und 2.7 der FAQ, die für die Reisebranche unter Punkt 2.5.

     


  • November- und Dezemberhilfe 2020 (Antragsende 30.4.21)

    Am 25.11.2020 wurde der Direktantrag für die sogenannte Novemberhilfe freigeschaltet. Dieser Direktantrag für die "außerordentliche Wirtschaftshilfe" war Solo-Selbstständigen vorbehalten und konnte bis Ende April 2021 gestellt werden. Die Abrechnung war (nach mehreren Verlängerungen) bis zum 31. Oktober 2023 möglich, in Einzelfällen kann eine Verlängerung bis Jahresende beantragt werden. – Bei dieser Hilfe konnten Solo-Selbstständige, die für November/Dezember 2020 keine Überbrückungshilfe beantragt hatten, Hilfsgelder bis zu maximal 5.000 € / Monat bekommen.

    Die FAQ-November- und Dezemberhilfe (von Wirtschafts- und Finanzministerium) erläutert die durchaus komplizierten Konditionen, Geld für die einzelnen Tage im November bzw. Dezember zu bekommen, an dem Selbstständige durch den Lockdown "direkt, indirekt oder über Dritte betroffen waren." Sehr übersichtlich ist auch die FAQ der Handwerkskammer, die die Sondersituationen des Handwerks in dieser Phase der Pandemiehilfen klärte.

    Die Details, worum (und für wen) es bei dieser Hilfe ging

    Diese Hilfen zum Jahresende 2020 – das ließ Viele enttäuscht zurück – war ausdrücklich nicht für alle Corona-bedingten Ausfälle konzipiert, sondern sollte vor allem Betriebe stützen, die direkt von der ersten Schließungsanordnung im "Lockdown light" betroffen waren. Also vor allem Hotels, Gastronomie und Veranstaltungswirtschaft. Wessen Branche oder Beruf in den Punkten 5 bis 8 im Schließungsbeschluss vom 28.10.20 nicht ausdrücklich genannt ist, geht leer aus.
    Solo-Selbstständige, die für ausdrücklich geschlossene Betriebe arbeiteten, partizipierten von der Hilfe ausschließlich, wenn die Aufträge solcher Kund*innen im gesamten Jahr 2019 oder im November 2019 vier Fünftel der eigenen Umsätze ausgemacht hatten. Die Auszahlungen waren Abschlagszahlungen, können also nach der Abrechnung wieder zurückgefordert werden. Und wer die Bedingung der direkten oder indirekten Betroffenheit nicht erfüllte (siehe in der offiziellen FAQ die Punkte 1.2 bis 1.4) für die und den galt wie unter 1.9 beschrieben: "Aus einem erheblichen Umsatzeinbruch im November beziehungsweise Dezember 2020 allein ergibt sich keine Antragsberechtigung." (Nur wer hohe Fixkosten hatte, konnte alternativ auf die Überbrückungshilfe ausweichen.)

    Im Beschluss der Runde aus Bundeskanzlerin und den Regierenden der Länder vom 28.10.20 zum partiellen Lockdown vom 2. bis 30. November wurde vereinbart, eine außerordentliche Wirtschaftshilfe an die "von den temporären Schließungen erfassten Unternehmen, Betriebe, Selbständige, Vereine und Einrichtungen" zu zahlen. Die bis zu 10 Mrd. € für die sogenannte Novemberhilfe stammten aus dem Topf für Überbrückungshilfen, aus dem bis Ende Oktober 2020 keine 10 % der eingestellten 25 Mrd. € abgerufen wurden. Erst Mitte November legten das Wirtschafts- und das Finanzministeriums Erläuterungen mit Details zur "Novemberhilfe" vor und am 18.11.20 kamen die Ministerien endlich mit den Vollzugshinweisen für die Gewährung von Corona-Novemberhilfe um die Ecke. Seitdem war (auch für den Dezember) klar, wie sie die Grundbedingungen für die Hilfe definieren und dass sie (laut (§ 1 Abs. 1 Nr. 13 ALG II-V - neu) nicht auf die Grundsicherung angerechnet werden sollte.

    Da die öffentliche Aufmerksamkeit und der politische Druck hoch waren, klappten die Abschlagszahlungen recht schnell –, wie von uns Ende 2020 erwartet und kommuniziert zeigte sich der Bund jedoch wenig kulant bei der Beurteilung der direkten oder indirekten Betroffenheit. Bereits am 5.11. hatte das Finanzministerium eine FAQ zur Novemberhilfe veröffentlicht, die auch den kritischten Punkt für viele Solo-Selbstständige nannte: "Für Unternehmen, die nicht direkt oder ... indirekt von den Schließungsmaßnahmen betroffen sind, aber dennoch hohe Umsatzeinbrüche im November 2020 ... haben, wird es Hilfen im Rahmen der Überbrückungshilfe III geben" (und eben nicht als Novemberhilfe). Auf die Forderung der Länder-Finanzminister, die seit ihrer Sonderkonferenz am 5.11.20 die weitere Auslegung einer Notsituation forderten, ist der Bund nicht eingegangen. Entsprechend urteilte beispielsweise das Verwaltungsgericht Trier am 8.12.2021 gegenüber einer Getränkehandlung (siehe Gerichts-Pressemitteilung), dass deren Einbußen lediglich "Folgeerscheinungen der Corona-bedingten Kontaktbeschränkungen" waren, aber keine Betroffenheit im Sinne der Hilfe vorlag, weil der Kauf von Getränken "zu keiner Zeit untersagt" war.
    Die Beschreibung in der offiziellen FAQ (Punkte 1.2, 1.3 und 1.4) sowie in den Vollzugshinweisen ging ebenfalls nie über den sehr engen Bereich mittelbarer bzw. indirekter Betroffenheit hinaus. – Definiert als Selbstständige, die "regelmäßig 80 Prozent ihrer Umsätze durch Lieferung und Leistungen im Auftrag von Unternehmen, die direkt von den Maßnahmen betroffen sind, über Dritte erzielen". Als Beispiel wird ein (nicht geschlossener) Caterer genannt, der über eine (nicht geschlossene) Veranstaltungsagentur eine (geschlossene) Messe beliefert.

    Der finanzielle Rahmen der November- bzw. Dezemberhilfe wurde im Ursprungsbeschluss der Ministerpräsident*innen-Runde abgesteckt: "Der Erstattungsbetrag beträgt 75% des entsprechenden Umsatzes des Vorjahresmonats ... womit die Fixkosten des Unternehmens pauschaliert werden." Im "Term Sheet Novemberhilfe" vom 3.11.20 nannten das Bundesfinanz- und das Wirtschaftsministerium dann erstmals die Kernpunkte, was Solo-Selbstständige aus dem Programm für den November (und schließlich auch den Dezember) erwarten konnten:

    • Soloselbständige waren bis zu einem Förderhöchstsatz von 5.000 Euro direkt antragsberechtigt. – Alle anderen mussten den Weg über Steuerberater*innen und Wirtschaftsprüfer*innen gehen.
    • Indirekt von den Schließungen betroffene Selbstständige bekamen Geld, wenn sie mehr als 80 % ihres Umsatzes mit "direkt oder indirekt betroffenen" Unternehmen machten.
    • Soloselbstständige durften den Novemberumsatz mit dem durchschnittlichen Umsatz des gesamten Jahres 2019 vergleichen.
    • Andere Leistungen "wie Überbrückungshilfe oder Kurzarbeitergeld" wurden angerechnet.

    Der Knackpunkt steckte im Bulletpoint 2 des Beschlusses: Wer "nur" mittelbar betroffen war, konnte entweder gerade noch Hilfe bekommen oder systematisch ausgeschlossen werden. Klar definiert war immerhin, wer auf jeden Fall zu den direkt Betroffenen zählt. Im Beschluss der Regierenden vom 28. Oktober wurden sie unter den Punkten 5 bis 8 umrissen als: "Einrichtungen, die der Freizeitgestaltung zuzuordnen sind". Darunter genannt sind Veranstaltungen, Restaurants, Kneipen etc. aber auch Betriebe im Bereich Körperpflege. Die indirekte Betroffenheit war seit dem 18.11. durch Vollzugshinweise formal definiert und wurde später in der offiziellen FAQ-Liste zur außerordentlichen Wirtschaftshilfe mit Beispielen erläutert. – Leidlich unklar bleibt, wie die Gerichte echte Grenzfälle beurteilen werden. Wir kommentierten bereits in der Prognose vom November 2020, die früher an dieser Stelle stand, es sei "nach den Erfahrungen des Frühsommers 2020 mit den nachträglichen Auslegungen zu den Soforthilfen Skepsis angebracht". Es ist nicht immer schön, hinterher Recht gehabt zu haben...

    [Solo-Selbstständige, die in 2019 die Ist-Versteuerung angewendet hatten, mussten bei der Berechnung des Umsatzausfalls ebenfalls (wie bei den Steuererklärungen) den Zahlungseingang als Datum des Umsatzes buchen. Nur (!) für die Lockdown-Monate November und Dezember 2020 wurde ein Wahlrecht eingeräumt: "Für alle Umsätze einheitlich", so die Ministeriums-FAQ in Punkt 2.3, durfte bei der Ist-Versteuerung "entweder auf den Zeitpunkt des Zahlungseingangs oder der Leistungserbringung abgestellt werden". – Die Belege sind "mindestens 10 Jahre bereitzuhalten", um eine Nachprüfung zu ermöglichen.]

     


  • Überbrückungshilfen 1 und 2 (Juni-Dezember 2020)

    Bei allen Überbrückungshilfen gilt grundsätzlich: "Lebenshaltungskosten sind nicht förderfähig".

    Mit Überbrückungshilfe bezeichnete der Bund von Anfang an ein reines Zuschussprogramm zu laufenden Betriebskosten, das für viele Solo-Selbstständige ins Leere läuft und daher von ihnen kaum in Anspruch genommen wurde und wird. Die erste Überbrückungshilfe lief vier Monate zwischen Juni und September, ab dem dem 21.10.20 konnte die Überbrückungshilfe 2 (nur über Steuerberater*innen und andere beratende Berufe) für den Zeitraum September bis Dezember (bis zum 31.3.2021) gestellt werden. Ein Einkommensersatz oder ein pauschaler "Unternehmer*innenlohn" ist bei dieser Hilfe nicht vorgesehen. Bis zum 5. Oktober 2020 wurden lediglich 123.000 Anträge gestellt und lediglich rund 1,5 Mrd. € der bereitstehenden 25 Mrd. € der Überbrückungshilfe 1 abgerufen. Ende Oktober wurde dann noch von Finanzminister Olaf Scholz in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Wirtschaftsminister Peter Altmaier die im vorherigen Reiter beschriebene Überbrückungshilfe 3 (Ü 3) als Nachfolgeprogramm angekündigt.

     Die Grundsätze der ersten Überbrückungshilfen laute(te)n zusammengefasst:

    • "Unternehmer*innen-Einkommen" werden nicht als laufende Kosten anerkannt. Wer die Kriterien nicht erfüllt, wird auf die Grundsicherung verwiesen, soweit die Länder nicht mit eigenen (Branchen-)Hilfen einspringen.
    • Um überhaupt Geld zu erhalten, müssen Corona-bedingte Umsatzrückgänge vorliegen. Hier werden Referenzmonate des Vorjahres zum Vergleich herangezogen.
    • Die Umsatzrückgänge und fixen Betriebskosten sind durch externe Prüfer*innen oder Berater*innen zu bestätigen, die auch die Anträge stellen müssen.

    Bei der Überbrückungshilfe 1 und 2 waren Selbstständige und Unternehmen antragsberechtigt, die stärker Umsatzrückgänge in den Fördermonaten im Verhältnis zu den Vergleichsmonaten im Vorjahr hatten. Jeder Monat wurde einzeln berechnet. Waren in dem Monat die Bedingungen erfüllt, betrug der Zuschuss zu den monatlichen Fixkosten beim:

    • Umsatzrückgang über 70 % = 90 % Zuschuss
    • Umsatzrückgang zwischen 50 und 70 % = 60 % Zuschuss
    • Umsatzrückgang zwischen 30 und 50 % = 40 % Zuschuss

    (Bei der  Überbrückungshilfe 1 galt die Regel, dass im April und Mai mindestens 60% Umsatzrückgang vorliegen mussten. Einzeln betrachtet wurden dann die Monate Juni bis August: Unter 40% Umsatzrückgang entfiel die Hilfe, ab 40% Rückgang wurden 40% der Fixkosten gezahlt, zwischen 50 und 70% Rückgang 50% und ab 70% Rückgang 80% der Kosten.)
    Neu war bei der Überbrückungshilfe 2 gegenüber dem Vorgängerprogramm zudem, dass für die Schlussabrechnung nicht nur Rückforderungen, sondern auch Nachzahlungen vorgesehen waren.

    Da die Überbrückungshilfe bis heute Solo-Selbstständige ohne größere Betriebskosten nicht erreichen kann und ihnen so wirtschaftliche Hilfe faktisch nicht zugänglich ist, steht die Systematik der Förderung in der Kritik, seit sie ausgerollt wurde. Trotz vieler Proteste und Hintergrundgespräche waren die Regierung und Bundesministerien lange nicht bereit, über das Thema "Einkommensausfall von Solo-Selbstständigen kompensieren" überhaupt zu diskutieren. Mitte Oktober 2020 begannen Spekulationen durchzusickern, dass sich das ändern könnte (siehe bspw. die Kurzmeldung des DLF). Demnach diskutierte das Bundeswirtschaftsministerium einen 'Unternehmerlohn' für Solo-Selbstständige "die anderweitig nicht förderberechtigt seien und damit Gefahr liefen, in die Grundsicherung zu fallen." - Das Ergebnis war dann die Neustarthilfe (siehe oben), die die Bezeichnung Einkommensaufsall in vielen Fällen nicht einmal ansatzweise verdient.

    Das Konstrukt der ersten Überbrückungshilfe folgte der "Soforthilfe" und wurde im Rahmen des Nachtragshaushalts am 2.7.20 vom Bundestag beschlossen. Um Geld aus dem mit 25 Mrd. € bestückten Programm zu erhalten, galten bei der Überbrückungshilfe 2 noch strengere Bedingungen als bei den Ende Mai ausgelaufenen Soforthilfen. Die Mittel für laufende Kosten, die über die Länder verteilt wurden, konnten Unternehmen, die vor November 2019 gegründet wurden, nur über Steuer- und Wirtschaftsberater*innen und Anwält*innen beantragen, eine Förderung von Lebenshaltungskosten war ausgeschlossen.

    Damit blieb es bei der Linie, die bereits in der Vereinbarung des Koalitionsausschusses vom 3.6.2020 abgesteckt wurde: Mit reinen (branchenübergreifenden) Wirtschaftshilfen für die Fixkosten sowie einem vereinfachten Zugang zur Grundsicherung sollte das Thema Hilfen für pandemiegeschädigte Selbstständige weitgehend abgehandelt sein. Zu einem Eingehen auf die besondere Situation von Solo-Selbstständigen (sowie deren vielfältigen Proteste und Gesprächsangebote) sahen sich die Koalitionäre nicht bereit. Entsprechend hatte die Regierung am 12.6.2020 die ersten Eckpunkte zur Überbrückungshilfe gestrickt, die zeigt, dass die übergroße Mehrheit notleidender Soloselbstständiger nicht als Teil "der Wirtschaft" gesehen oder anerkannt wird.

    Lediglich drei Bundesländer, Nordrhein-Westfalen (siehe PM 25.6.), Baden-Württemberg (siehe PM 30.6. und PM 8.7.) und Thüringen (siehe hier) zahlten über Länderprogramme ergänzende Mittel zur Bundes-Überbrückungshilfe. Für Soloselbstständige ohne Fixkosten waren auch diese Programme nicht gedacht: der in der Bundeshilfe definierte Umsatzrückgang (für eine anteilige Fixkostenerstattung) musste auch erfüllt sein, um in den Ländern zusätzlich eine fiktive Gewinnentnahme von bis zu 1.180 € geltend zu machen.

    • Baden-Württemberg: Die Höhe der "fiktiver Unternehmerlohn" genannten Zuschüsse war abhängig vom Umsatzrückgang. Im jeweiligen Fördermonat gab es 590 € beim Umsatzeinbruch zwischen 40 und unter 50% im Vergleich zum Vorjahresmonat, 830 € zwischen 50% und unter 70% und die vollen 1.180 € erst bei Umsatzeinbrüchen von über 70% im Vergleich zum Vorjahresmonat. (Siehe auch die Informationen des Landesministeriums und die Verwaltungsvorschrift vom 31. August, die noch einmal ausdrücklich erwähnte: "Lebenshaltungskosten sind auch in Rahmen der ergänzenden Förderung nicht förderfähig.")
    • Nordrhein-Westfalen: Über die "NRW Überbrückungshilfe Plus" das "Zusatzprogramm für den Unternehmerlohn" erhielten Soloselbstständige monatlich 1.000 € für maximal drei Monate. Laut Pressemitteilung Anfang Juli rechnete das Land mit 100.000 Antragsteller*innen bei dem 300 Mio.-€-Programm, das laut Mitteilung des Wirtschaftsministeriums vom 19.9. auch für die Überbrückungshilfe 2 (September bis Dezember) galt. (Zu den formellen Rahmenbedingungen siehe die Richtlinie zur Gewährung von Überbrückungshilfe.)
    • Thüringen: Soloselbstständige, die die Zugangsvoraussetzungen zur Überbrückungshilfe erfüllten, erhielten aus Landesmitteln einen Zuschuss zu den Lebenshaltungskosten von jeweils 1.180 € für maximal zwei Monate im Geltungszeitraum Juni bis August. (Siehe auch die Informationen der Aufbaubank.) Der Wirtschaftsminister des Landes kündigte Ende September an, diese Förderung "zwischen September und Dezember 2020 mit je 1.180 € pro Monat Zuschuss zu den Lebenshaltungskosten fortzuführen".

     


  • Wie bewerteten die ver.di-Selbstständigen die ersten Hilfsprogramme?

    Die folgende Einschätzung stammt bereits aus dem September 2020, sie gilt aber strukturell auch für die Folgemonate und -jahre. Es ist weder über November- und Dezemberhilfe (mit dem ersten Ansatz, auch Einkommensersatz für Solo-Selbstständige zu zahlen) noch die Neustarthilfen gelungen, die Schieflage zu beseitigen, die sich durch alle Wirtschaftsprogramme während der Corona-Pandemie zieht.
    Grundsätzlich sehen wir bis heute die bereits im Herbst 2020 konstatierte eklatante Ungleichbehandlung der Solo-Selbstständigen gegenüber anderen Wirtschaftsakteur*innen aus Mittelstand und Großunternehmen. Was dringend fehlt ist ein Programm, das gezielt (und nicht eingebettet in andere Programme) auf eine Existenzsicherung Solo-Selbstständiger zielt. – Dabei sehen wir die im Sommer 2020 diskutierte Deckelung von Hilfen in Höhe der Pfändungsfreigrenze von gut 1.200 € als keine vernünftige oder nachvollziehbare Grundlage eines Einkommensersatzes: Solche Ideen vermischen das Thema 'angemessene Wirtschaftshilfe' mit der Forderung nach einer Grundsicherung auf höherem Niveau (die wir heftig befürworten). Zum Herbstbeginn 2020 also stellten wir nach der ersten Covid-19-Pandemiewelle fest (und tun dies weiterhin):

    • Für Solo-Selbstständige wurde seit Beginn der Krise kein konsistentes Programm geschaffen, das sie adäquat als Erwerbstätige oder Wirtschaftssubjekte adressiert. Es wurde und wird lediglich ein Zusammenspiel absoluter Nothilfen angeboten, das weder angemessen noch gesamtgesellschaftlich solidarisch auf die Krise reagiert. Insbesondere die strenge, nur fiktiv logische Aufteilung wirtschaftlichen Tätigkeit Solo-Selbstständiger in Betriebskosten und persönliche Kosten nicht hinnehmbar und grob ungerecht. Sowohl die Maßnahmen Liquidität zu schaffen, als auch der erleichterte Zugang zur Grundsicherung sind angesichts des Gesamtvolumens der zugesicherten Wirtschaftshilfen (ebenso wie deren Verteilung) extrem kleine und ungerechte Maßnahmen. Sie verkennen, dass die besondere Notsituation Solo-Selbstständiger, wesentlich durch die jahrzehntelange mangelnde Integration in den Arbeits- und Sozialschutz verursacht wurde.
    • Wenn wirtschaftliche Soforthilfen für die meisten Solo-Selbstständigen nicht nutzbar sind und sie bei unverschuldeter Einkommenslosigkeit allein auf das (für diese Situation nicht geschaffene) ALG-2-System verwiesen werden, besteht extremer Nachsteuerungsbedarf.
      Uns ist klar, dass die Gleichstellung aller Erwerbstätigen im Sozialschutz eine grundsätzliche Neugestaltung der Regeln und daher auch Zeit brauchen wird. Sie ist daher durch Kurzfrist-Maßnahmen zu flankieren. Der sogenannte "erleichterte Zugang zur Grundsicherung" kann hier nicht die einzige Gestaltungsinitiative bleiben.
    • Wir erkennen an, dass auch die Entscheidungsträger*innen mit der Corona-Krise Neuland betreten haben und die schnellen ersten Maßnahmen für Solo-Selbstständige und Kleinunternehmen einigen geholfen haben. Den ersten Sofortmaßnahmen folgte aber nicht, wie angekündigt, eine flexible Weiterentwicklung von Regeln oder ein Gesamtpaket zur Abfederung der Krisenfolgen und das Schließen von Gerechtigkeitslücken. Die anhaltende  Fixierung der Wirtschaftshilfen auf Betriebskostenzuschüsse ignoriert ausgerechnet jene Erwerbstätigen, die schon vor der Krise geringe Einkommen hatten. Selbst dann, wenn ihre Geschäftstätigkeit und Lebensgrundlage (beispielsweise durch Verbote von Auftritten oder Präsenzseminaren) vollends eingebrochen sind. Mit den nachträglichen Änderung der Bedingungen in den Ländern und der Abrechnung der Hilfen unter der Kuratel der Bundesregelung bleiben viele Selbstständige, auch die, die im Vertrauen auf die Hilfen keine Grundsicherung beantragten, gänzlich auf den Krisenkosten sitzen.
    • Statt Maßnahmen grundsätzlich nachzusteuern, setzt der Bund systematisch auf die Verstetigung von Maßnahmen, die allein für eine schnelle Krisenintervention entwickelt wurden. Schlimmer noch: Mit dem Versuch, im Sommer und im Nachhinein für Soforthilfen rückwirkend strengere Vergabekriterien durchzusetzen, als vorher kommuniziert wurde, ignorierte die Bundesregierung alle vernünftigen Einwände der Zivilgesellschaft (und der Bundesländer). Insbesondere das Bundeswirtschaftsministerium und das Finanzministerium verweigern sich wahrnehmbar einer grundsätzlichen Diskussion und setzen auf ein "weiter so" sowie die Rückkehr zu einer fragwürdigen Normalität. Das fördert die Verbitterung bei Millionen selbstständig Erwerbstätigen und ihrem sozialen Umfeld. In welcher Dimension die aktuelle Politik damit gesellschaftliche Konflikte schüren kann, scheint den Verantwortlichen nicht bewusst zu sein.
    • Von einer Gleichbehandlung Solo-Selbstständiger mit großen Unternehmen auf der einen und den (ebenfalls von der Krise stärker betroffenen) abhängig Beschäftigten auf der anderen Seite kann weiterhin keine Rede sein. – Wir werden, auch um gesellschaftspolitische Kollateralschäden zu vermeiden, intensiver darüber reden und darum streiten müssen, ob "die Wirtschaft" oder doch besser Menschen das Hauptziel der staatlichen Fürsorge und staatlichen Handelns sein sollen. Die Themen Umverteilung und Gerechtigkeit gehören damit in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, schließlich werden wir in näherer Zukunft über die Verteilung der Krisenkosten verhandeln und (wirtschafts-)politische Weichen für eine zukunftsfähige Gesellschaft stellen müssen.
    • Für gewerkschaftliche Selbstständige gehört last not least auch die mangelnde Anerkennung und Gleichstellung unterschiedlicher Erwerbsformen zu den Kernthemen, die bei Diskussionen über die Arbeit und den Sozialstaat der Zukunft in den Fokus gehören.

     


  • Was galt bei der Bundes-Soforthilfe als Betriebsausgabe?

    Eindeutig (und der Hauptkritikpunkt) war und die starre Haltung des Bundes das Hilfen reine Wirtschaftshilfen sein sollen. Diese Linie war schon prägend für die Soforthilfe des Bundes, die ab April 2020 die Soforthilfeprogramme der Länder komplett verdrängte. Aus der Bundes-Soforthilfe durfen keinerlei "private" Kosten der Lebenshaltung bestritten werden. – Also weder soll daraus die soziale Vorsorge gedeckt werden, noch ein Unternehmer*innen-Einkommen gezahlt werden. Das alles aber wurde nicht von Anfang an so kommuniziert und je nach Land erst Stück für Stück nachgeschoben. Echte Klarheit, was bei der Soforthilfe gegolten haben soll, schaffte erst die Liste der Ausgaben, die für die Überbrückungshilfe (siehe Punkt 1 dieser FAQ) erstellt wurde. Ob und in welchem Umfang die oft erst nachträglich eingeführten engen Kriterien tatsächlich tragen, werden in vielen Fällen erst die Verwaltungsgerichte klären.

    Klar wurde erst nachträglich, wie der Bund es gemeint haben will: Bei den betrieblichen Ausgaben sollen mit der Beschränkung auf den Liquiditätsausfall nicht einmal alle Betriebskosten anerkannt werden. Diese Wirtschaftshilfe soll nach dem Willen des Bundeswirtschaftsministeriums und der Regierung eben nicht den Gewinnausfall an sich kompensieren und damit die Fortführung des vollen Geschäftsbetriebs ermöglichen, sondern nur vor einer unmittelbaren Pleite bewahren. Daher war die Soforthilfe nicht einmal dafür gedacht, notwendige Investitionen zu tätigen, sondern sollte ausschließlich verhindern, dass wegen einer akuten Liquiditätskrise die laufenden Zahlungsverpflichtungen nicht befriedigt werden konnten.
    Letztlich konnte die Soforthilfe damit zwar hier und da helfen, eine Überschuldung zu vermeiden, aber das Geld bekamen Selbstständigen nicht zur freien unternehmerischen Verfügung, sondern quasi nur dann, wenn sie verpflichtet sind, es wieder weiterzuleiten. Daher zählten zu den unstrittig anzusetzenden Ausgaben nur jene für Büromieten (und Nebenkosten), laufende betriebliche Leasingverträge, Versicherungen, Softwarelizenzen, Kredittilgungen, Telekommunikation, betriebliche Versicherungen und Steuern für Dienstfahrzeuge.

    Wegen des Kommunikationschaos wird es schon schwieriger bis unmöglich, sicher zu vermuten, in welchem Umfang weitere übliche Kosten wie Büromaterial oder Werbung als zwingende laufende Kosten bei den Abrechnungen in den einzelnen Ländern anerkannt werden. Als Faustformel gilt: Am einfachsten sind alle langfristen Verträge anzusetzen, bei denen die Kosten regelmäßig abgebucht werden. Andere betriebsnotwendige Ausgaben sollten ebenfalls in dem Umfang, in dem sie vor der Krise anfielen, als laufende Kosten anerkannt werden. Ob das jeweils und im Einzelfall wirklich zwingende Ausgaben sind, für die ebenfalls die Liquidität zu erhalten ist, wird im Streitfall ein Verwaltungsgericht entscheiden müssen.

    Noch kritischer ist das Thema Investitionen zu sehen: Wer in der Krise Verträge neu abschließt, Arbeitsmittel kauft oder Sondertilgungen bei Krediten vereinbart, darf damit rechnen, dass damit bei einer Abrechnung der Soforthilfe bei der jeweiligen Bank oder Behörde Gesprächsbedarf entsteht. – Selbst Ersatzinvestitionen sind nach der strengen Logik dieser Hilfe nicht vorgesehen. Wer aktuelle Investitionen (anteilig oder komplett) in die Berechnung des Liquiditätsausfalls einbezogen hat, sollte zumindest damit rechnen, dass bei einer Überprüfung die Rückzahlung der Mittel verlangt wird, die für solche Ausgaben angesetzt wurden. Das gilt wahrscheinlich auch für alle Abschreibungskosten: Das sind rein steuerliche Buchungen, die keinen Einfluss auf die aktuelle Liquidität hatten.

     


  • Müssen Auftraggeber für Absagen haften?

    Für bereits abgeschlossene, laufende Verträge gilt normalerweise und galt bis zu den behördlichen Anordnungen bspw. Bildungseinrichtungen zu schließen: Beide Vertragspartner müssen sich an das halten, was sie vereinbart haben. Haben sie zur Absage von Diensten und Kündigung von Werken nichts geregelt, gilt das BGB: Danach können Selbstständige grundsätzlich davon ausgehen, dass der Auftraggeber, der einen Werkvertrag oder einen befristeten Dienstvertag komplett kündigt oder die Ausführung stoppt, für die finanziellen Folgen aufzukommen hat.

    Aber wirklich nur solange Verträge oder AGB keine abweichende Regelung treffen. Wenn beispielsweise eine Handelsvertreterin eine Vergütung 'pro ausgeführtem Auftrag' vereinbart, erhält sie kein Geld. Ebenso muss der Dozent, der bei ausgefallenen Seminaren eine Null-Vergütung akzeptiert hat, auf das Honorar verzichten. Steht in den Verträgen: "Werden Kurse abgebrochen, so ist das Honorar für die geleisteten Unterrichtseinheiten zu zahlen“, ist damit in der Regel gemeint: "nur für bisher geleistete Stunden"...

    Grundsätzliche Ausführungen zum Kündigen von Dienstverträgen und Kündigen von Werkverträgen aber insbesondere auch zur Frage der höheren Gewalt, die seit Mitte März 2020 viele Auftraggeber als Grund für eine Zahlungsverweigerung oder Kündigung anführten, stehen im ver.di-'Ratgeber Selbstständige'. Die Kurzfassung zur Frage, wie hier die rechtliche Situation angesichts behördlicher Verbote von Veranstaltungen und bestimmten Einrichtungen aussieht, haben wir in einer kurzen Übersicht zu den rechtlichen Fragen der höheren Gewalt zusammengefasst. Direkt zu einer PDF die eine Übersichts-Mindmap zum Thema enthält geht es hier. Seit Mitte November 2020 gibt es auch einen verständlichen Text der IHK, der sich den Vertrags-und zivilrechtliche Fragen in Zeiten der Covid-19-Pandemie widmet.

    Im 'Ratgeber Selbstständige' findet sich angesichts der rechtlichen Gemengelage übrigens auch ein Hinweis darauf, dass es sinnvoll sein kann, auch die Situation des Vertragspartners und Perspektiven für die längerfristige Zusammenarbeit (auch nach der Krise) im Hinterkopf zu haben: "Es kann im Einzelfall Sinn machen, auf den vollen Vergütungsanspruch zu verzichten. Etwa wenn als Kompensation des Ausfalls ein länger laufender Vertrag oder adäquate Folgeaufträge rausspringen. Oder auch - wenn es die eigene Situation erlaubt - klammen Kunden einen Zahlungsaufschub zu gewähren."

     


  • Gibt es eine Entschädigung beim eigenen Ausfall, bei Quarantäne und Kinderbetreuung?

    Die Bedingungen eine Entschädigung nach § 56 IfSG zu erhalten, sind kurz gesagt: Die Gesundheitsbehörde muss eine persönliche Quarantäne der oder des Selbstständigen angeordnet haben und für die muss ein Impfschutz vorliegen. (Das ist im Gesetz gemeint mit „Eine Entschädigung ... erhält nicht, wer durch Inanspruchnahme einer Schutzimpfung ... ein Verbot in der Ausübung seiner bisherigen Tätigkeit oder eine Absonderung hätte vermeiden können".)

    Eine staatliche Entschädigung gibt es für (Solo-)Selbstständige also nur, wenn sie wegen einer behördlich angeordneten persönlichen Quarantäne "als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger Träger von Krankheitserregern" nicht arbeiten dürfen. Um die Höhe der Entschädigung zu bestimmen, wird der Durchschnittsgewinn des Vorjahres herangezogen, zusätzlich gibt es auf Antrag angemessenen Ersatz für weitere nicht gedeckte Betriebsausgaben. Und auch wer wegen der Erkrankung der Kinder nicht arbeiten kann, kann eine Entschädigung erhalten.
    Geregelt ist das alles im § 56 Infektionsschutzgesetz. Die Entschädigung ist innerhalb von 12 Monaten nach der behördlichen Betriebsschließung bzw. dem Arbeitsverbot zu beantragen. Die wichtigsten Erläuterungen gibt das Informationsportal zum Infektionsschutzgesetz (IfSG), das auch darauf hinweist, dass der entsprechende Online-Antrag in den meisten Bundesländern gestellt werden kann. Ansonsten rät diese Informations- und Antragsseite: "wenden Sie sich bitte direkt an die Behörde". Aktuelle Informationen zu den Regelungen des IfGS gibt es auch beim Gesundheitsministerium. Dessen FAQ zum IfSG ist umfassend, aber für Nicht-Jurist*innen nicht leicht zu lesen.

    Wer eine gesetzliche Krankenversicherung mit Anspruch auf Krankengeld oder eine Krankentagegeldversicherung hat, kann bei einer längeren Krankheit eine Ärztin oder einen Arzt um Krankschreibung bitten. Je nach Vertrag zahlt dann die Versicherung einen Verdienstausfall. Je nach Vereinbarung nach einer mehr oder weniger langen Zeit. Gesetzlich Versicherte erhalten den erst nach sechs Wochen, es sei denn, sie haben über einen Wahltarif eine frühere Zahlung vereinbart oder eine entsprechende Krankentagegeldversicherung abgeschlossen.

    Selbstständig erwerbstätige Eltern, die wegen notwendiger und nicht anders zu regelnder Kinderbetreuung ausfallen, können unter gewissen Voraussetzungen ebenfalls eine Entschädigung analog der Kurzarbeitsregelung erhalten (67% des Nettoeinkommens bis zu gut 2.000 €/Monat). Anders als Angestellte müssen Selbstständige die im Abs. 1a des § 56 im Infektionsschutzgesetz geregelte Entschädigung selbst beantragen, wenn sie wegen geschlossener Schulen oder Kitas ein Kind unter 12 Jahren (oder eines, das auf Hilfe angewiesen ist) selbst betreuen müssen und deshalb nicht arbeiten können. Genauere, übersichtliche Informationen zu diesem Ausfallgeld haben die Länder hier zusammengetragen. In einem Artikel von 'Ihre Vorsorge' stehen hier ergänzende Informationen. In den meisten Ländern kann die Entschädigung per Online-Antrag auf "Verdienstausfall wegen Betreuungserfordernis" geltend gemacht werden.
    In der Praxis zeigen sich regionale Unterschiede bei der Handhabung der Zusatzbestimmung "Anspruchsberechtigte haben gegenüber der zuständigen Behörde ... darzulegen, dass sie in diesem Zeitraum keine zumutbare Betreuungsmöglichkeit für das Kind sicherstellen können." Der hier eröffnete Spielraum wird in den Einzelfallbetrachtungen unterschiedlich ausgelotet: So wird es bei nur stundenweiser Arbeit im Home-Office oft als zumutbar angesehen, ein Einzelkind (quasi nebenbei) zu betreuen, der/die Alleinerziehende von drei Kindern unter 12 Jahren hingegen, muss nicht lange rumdiskutieren.

    Um bei Eltern unvorhergesehenen Einkommenseinbußen durch die Corona-Krise abzufedern, wurde im Sozialschutz-Paket der Kinderzuschlag vorübergehend zum "Notfall-KiZ" umgebaut, der Ende März 2021 endgültig auslief. Um zu klären, ob ein Anspruch auf den "normalen" Kinderzuschlag besteht, gibt es den offiziellen KiZ-Lotsen der Familienkasse, die auch eine umfängliches Merkblatt zum Kinderzuschlag sowie Hinweise für Zuschläge mit einem Bewilligungszeitraum ab 1.4.21 anbietet.
    Zudem wurde der Entlastungsbeitrag für Alleinerziehende für die Jahre 2020 und 2021 von bislang 1.908 € auf 4.008 € angehoben und am 3.2.21 einigte sich die Koalition dann auf den Kinderbonus: Pro Kind bekommen Kindergeldberechtigte einen einmaligen Bonus von 150 €, der im Mai ausbezahlt werden soll. Im Gegenzug aber wird der steuerliche Kinderfreibetrag um 150 € gesenkt. Damit würden von dem Zuschlag (der auch nicht auf die Grundsicherung angerechnet werden soll ) vor allem Geringverdiener profitieren.
    Eine Übersicht über die Hilfen für Familien – allgemein, nicht speziell für Selbstständige – hat die Bundesregierung auf der Themenseite Unterstützung für Familen zusammengetragen. Eine weitere Zusammenfassung der Hilfen hat das Familienministerium erstellt.

     


  • Kann ich Sozialversicherungskosten senken?

    Prinzipiell ist das bei allen gesetzlichen Versicherungszweigen möglich und zur akuten Kostensenkung bei Gewinnrückgängen empfehlenswert. Viele Sozialversicherer haben zugesichert, die Meldungen zu vereinfachen und zu beschleunigen. Derzeit ist der Stand:

    Gesetzliche Krankenkassen senken die Beiträge für freiwillig Versicherte ebenfalls, wenn ein entsprechender (kassenindividueller) Antrag gestellt wird, sobald der Gewinn gegenüber dem Vorjahr um mindestens ein Viertel eingebrochen ist. Üblicherweise wollen die Kassen als Nachweis einen aktuellen Vorauszahlungsbescheid des Finanzamts sehen, der natürlich erst einmal beantragt werden müsste. Viele Kassen bieten aber auch an, die Beiträge bis zu drei Monaten zinslos zu stunden, wenn keine Fördermittel oder Kredite geflossen sind. Das entspricht der Linie des GKV-Spitzenverbandes, die er am 25.3.2020 kommuniziert hat.
    Ein Grundproblem bleibt: Auch wenn die Gewinne niedriger liegen, fallen für freiwillig gesetzlich Versicherte mindestens Beiträge auf Grundlage des angenommenen Mindesteinkommens an. Das beträgt derzeit rund 1.062 € und der monatliche Mindestbeitrag für Kranken- und Pflegeversicherung damit knapp 200 €. - Hätten wir nicht zu Anfang 2019 die radikale Senkung dieses Mindesteinkommens durchgesetzt, wäre für viele jetzt das Desaster vollkommen, trotzdem wäre es besser gewesen (wie von ver.di weiterhin gefordert) schon damals die Einkommens-Bezugsgröße für den Beitrag bis auf die Geringfügigkeitsgrenze von 450 € zu senken.
    Zum Thema "Wie Selbstständige die Kosten für die gesetzliche oder private Krankenversicherung senken" gibt es hier einen übersichtlichen Text von 'Ihre Vorsorge'.

    Pflichtversicherte in der Gesetzlichen Rentenversicherung konnten bis Ende Oktober 2020 ihre Beitragszahlung aussetzen.(Siehe bei der DRV Bund.) - Diese Regel scheint nicht verlängert worden zu sein, aber eine Nachfrage wie es aktuell gehandhabt wird, ist empfehlenswert. Wer pflichtversichert ist und über dem monatlichen Mindestbeitrag von knapp 85 € liegt, kann die Anpassung des Beitrags beantragen. Nach § 165 SGB 6, Absatz 1a ist das möglich, wenn der laufende Gewinn voraussichtlich mindestens 30 Prozent unter dem Einkommen liegt, das für die Beitragsbemessung angesetzt wurde.

    Über die Künstlersozialkasse (KSK) Versicherte können vor allem ein geändertes Jahreseinkommens schnell melden. Dazu sowie zur Stundung von Beiträgen gibt es die Informationen in den aktuellen Hinweisen der KSK die auch das Formular zur Beitragsänderung online gestellt hat. Zu den Sonderregelungen und weiteren Corona-Themen für über sie Versicherte hat die KSK ein gut 7-minütiges Informationsvideo erstellt, dass die aktuellen Regeln erläutert.
    Als wohl wichtigste Unterstützung hat der Gesetzgeber den § 3 KSVG, der ein Mindesteinkommen von 3.900 € / Jahr regelt, um den Satz ergänzt: "Ein Unterschreiten der Grenze in den Jahren 2020 und 2022 bleibt dabei unberücksichtigt." Das heißt: Die KSK beendet bei niemandem die Versicherung allein wegen der Unterschreitung der Einkommensgrenze in den Jahren 2020 bis 2022. Auch ohne diese Neuregelung galt und gilt: KSK-Mitglieder dürfen innerhalb von 6 Jahren zweimal unter 3.901 € im Jahr verdienen - durch die Neuregelung jetzt bis zu fünfmal.
    Gleichzeitig wird nach § 53 KSVG weiterhin über die KSK kranken- und pflegeversichert, wer zwischen dem 23. Juli 2021 und dem 31. Dezember 2022 eine nicht ksk-fähige Selbstständigkeit ausüben und dabei der Gewinn unter "voraussichtlich 1 300 € im Monat" bleibt. Vor dieser coronabedingten Ausnahmeregelung waren als Gewinn aus einer anderen Selbstständigkeit nur 5.400 € im Jahr erlaubt. (Die Zuverdienstgrenze gilt und galt hingegen nicht für abhängige Beschäftigungen.) Es ist von der aktuellen Koalition geplant, eine modifizierte Anschlussregel zum Zuverdienst noch vor dem Auslaufen der aktuellen Regel zu verabschieden. Dabei will sie sich dem Vernehmen nach an dem ver.di-Vorschlag orientieren, unabhängig vom Zuverdienst die Versicherung fortzuführen, solange die Einkünfte aus einer selbstständigen publizistischen oder künstlerischen Tätigkeit überwiegen. Zu diesem Thema und den ver.di-Forderungen gibt es hier einen ausführlichen Beitrag.

    Für private Kranken- und Rentenversicherungen hat der Gesetzgeber bislang keine Auflagen vorgesehen. Es bleibt daher den Versicherungsunternehmen frei, die Stundung von Beiträgen oder Vertragsänderungen vorzusehen. Eine ausführliche Zusammenfassung (ohne überflüssige Längen) wie privat und gesetzlich Versicherte, Krankenversicherungsbeiträge senken können gibt es im 'Ihre Vorsorge'-Text: Wie Selbstständige die Kosten für die Krankenversicherung senken.

    Bei der freiwilligen Arbeitslosenversicherung, dem ALG-1-Pflichtversicherungsverhältnis auf Antrag, kann laut Agentur-Informationen gilt aktuell ein Zahlungsaufschub bis Ende September 2021: "Wenn Sie aufgrund der Corona-Krise Ihre Versicherungsbeiträge nicht zahlen können, endet Ihre freiwillige Versicherung derzeit nicht automatisch." Danach ist allerdings die Nachzahlung fällig, bei der Ratenzahlungen (monatlich mindestens 20 €) vereinbart werden können.

     


  • Wie sieht es mit steuerlichen Entlastungen aus?

    Über echte Steuersenkungen für Betroffene der Pandemie hat die Politik noch nicht beraten. Das würde auch größere Eingriffe in das Gesamtsystem erfordern (die wir begrüßen würden, wenn sie die Umverteilung von unten nach oben stoppt und umkehrt). Andere Vorschläge - etwa der einer negativen Einkommensteuer - wurden ebenfalls nicht aufgegriffen (und auch keine kurzfristig umsetzbare Option und daher eher eine Ablenkung). - Die zentralen Fragen beantwortet die FAQ des Bundesfinanzministeriums, die auch ein regelmäßiges Update erhalten. Da die FAQ für die Standardfragen Selbstständiger etwas (zu) ausführlich sind, hier noch ein paar Hinweise auf die wichtigsten Maßnahmen, die dir helfen können.

    Als Bereiche der schnellen Entlastung hat das Wirtschaftsministerium bereits am 13.3.20 genannt: "Es werden die Möglichkeiten zur Stundung von Steuerzahlungen, zur Senkung von Vorauszahlungen und im Bereich der Vollstreckung verbessert." Was dabei in Folge des BMF-Schreiben vom 19.3.2020 alles geregelt wurde, steht bei Haufe gut zusammenfasst. Diese Seite zu den steuerlichen Maßnahmen wurde bis Mitte Juni permanent mit Updates ergänzt. - Seitdem ist als wesentliche Information aber auch nur hinzugekommen, dass die Erleichterungen, insbesondere die Stundung von Steuern mehrfach verlängert wurde.
    Alle Betroffenen konnten bis Ende Juni 2021 einen Stundungsantrag stellen. (Darauf hatten sich Bundes- und Länderfinanministerien Mitte März 2021 verständigt, siehe Rundschreiben vom 18.3.21.) Da es derzeit keinen weiteren „Folgebeschluss“ gibt, müssen die Finanzämter ab Oktober 2021 die Forderungen stellen, können aber bis Ende 2021 eine Ratenzahlung vereinbaren.

    Die zentrale Maßnahme Liquidität zu sichern war und ist: Die Einkommensteuer-Vorauszahlungen anpassen. Dazu kannst du das Formular bei Elster verwenden. Die Alternative lautet: Du schreibst (formlos) ans Finanzamt, dass du Einspruch gegen den Einkommensteuer-Vorauszahlungsbescheid erhebst. Gleichzeitig beantragst du die Vorauszahlungen herabzusetzen und den Vollzug der bereits festgesetzten Vorauszahlungen auszusetzen. Wichtig ist eine plausible Begründung, die ja zurzeit eher leicht fällt. (Die Senkung oder Aussetzung der Vorauszahlung könnte prinzipiell auch automatisch erfolgen und unmittelbar wirksam werden. Das würde Liquidität schaffen, ohne dass Selbstständige Anträge schreiben und Finanzämter sich darüber beugen müssten.)
    Liegt die Jahressteuerschuld unter 400 €, bzw. die im Vorauszahlungszeitraum (üblicherweise das Quartal) unter 100 €, entfallen gemäß § 37 Abs. 5 EStG die Einkommensteuervorauszahlungen. Allerdings muss auch dann das Finanzamt entsprechend informiert werden, damit die Vorauszahlung entfallen kann.

    Generell kann beim eigenen Finanzamt beantragt werden: Der Verzicht auf Säumniszuschläge, die teilweise oder komplett zinslose Stundung von allen Steuerzahlungen (an die laut BMF-Schreiben vom 19.3.2020 "keine strengen Anforderungen zu stellen" sind) sowie ein zeitlich befristeter Verzicht auf Vollstreckung.

     


  • Bekomme ich Arbeitslosengeld 1 - und wie sieht es mit Kurzarbeitsgeld aus?

    Nur wenn du es geschafft hast, "auf Antrag" in die Arbeitslosenversicherung zu kommen. - Im 'Ratgeber Selbstständige' findest du ausführliche Details zu dieser Versicherung, die wir hier nicht ausbreiten wollen. Zum ALG 1 für (Solo-)Selbstständige findest du die absoluten Basics ansonsten in einer Kurzinformation der Arbeitsagentur. Dort kann der ALG-1-Antrag auch online gestellt werden. Für die, die drin sind, gibt es ein paar gute Nachrichten:

    1. Wenn Selbstständige das "normale" Arbeitslosengeld bekommen, müssen sie die Arbeit nicht vollkommen einstellen: Wer ALG 1 bezieht, darf nebenher arbeiten, allerdings weniger als 15 Stunden pro Woche (und darf allerdings nur 165 € anrechnungsfrei behalten).
    2. Am 14. Mai 2020 hatte der Bundestag das "Sozialschutzpaket 2" beschlossen, das am 28. Mai im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wurde. Damit wurde der Anspruch auf ALG 1 automatisch um drei Monate verlängert, wenn er normalerweise zwischen dem 1. Mai 2020 und dem 31. Dezember 2020 geendet hätte.
    3. Die sogenannte Rahmenfrist wurde verlängert. Leistungen kann jetzt bekommen, wer in den 30 Monaten vor Eintritt der Arbeitslosigkeit mindestens 12 Monate freiwillig oder pflichtversichert war.
    4. Auf Intervention von ver.di beim BMAS wurde die in "Normalzeiten" geltende Regelung, dass man/frau nach zweimaligem Bezug innerhalb eines Jahres rausfliegt, vorübergehend ausgesetzt und diese Regelung anschließend mehrfach verlängert. Derzeit gilt die Sonderregel (auf deren dauerhafte Gültigkeit wir drängen) nicht mehr. Sie war bis zum 31.8.2021 befristet. Die Arbeitsagentur schreibt dazu auf ihrer Seite Corona-Krise: Infos zur freiwilligen Arbeitslosen­versicherung: "Fällt Ihre Arbeitslosigkeit in den Zeitraum 30. März 2020 bis 31. August 2021, ist eine erneute freiwillige Absicherung möglich. Das heißt: Nehmen Sie dieselbe selbstständige Tätigkeit anschließend wieder auf, können Sie sich wieder gegen Arbeitslosigkeit absichern – unabhängig davon, ob Sie vor der letzten Arbeitslosigkeit einen neuen Anspruch auf Arbeitslosengeld erworben haben oder nicht." 
      (Erläuterung: Solange die Sonderregel nicht wieder in Kraft gesetzt wird, gilt wieder die gesetzliche Vorgabe, dass die Zahlung von Arbeitslosengeld für Selbstständige auf zwei Auszahlungen pro "zu dieser Versicherungspflicht führenden Tätigkeit" begrenzt ist. – Eine Klausel im § 28a SGB 3, die wir seit ihrer Einführung vehement kritisieren. Ebenso unsinnig ist die Beschränkung des Personenkreises der ein "Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag" eingehen darf: Um möglichst wenige Selbstständige in die Arbeitslosenversicherung aufnehmen zu müssen und das so unattraktiv wie möglich zu machen, dürfen sich nur Personen versichern, die aus einer abhängigen Beschäftigung kommend arbeitslos werden. Zudem sind weder die Beiträge noch die Zahlungen einkommensabhängig gestaltet. Auch das wäre bald einmal zu ändern...)

     Kurzarbeitsgeld: Nicht für Solo-Selbstständige

    Kurzarbeitsgeld - bzw. im Gesetzestext "Kurzarbeitergeld" - (KUG) nennt sich eine besondere Einkommenssicherung, die im Wesentlichen auf abhängig Beschäftigte beschränkt ist. Die erhalten derzeit 60 Prozent bzw. für Eltern 67 Prozent des Einkommens, wenn sie keine Arbeitsmöglichkeit haben, ihr Arbeitgeber sie aber nicht kündigt. (Ab dem 4. Monat steigt es um weitere 10 Prozent und ab dem 7. Monat auf 80 bzw. 87 Prozent - Siehe BMAS-Information.)
    Diese Zahlung kommt, so wie sie heute gestrickt ist, für Einzelunternehmen nicht in Frage: Der KUG-Bezug ist unter anderem davon abhängig, dass Erwerbstätige in der "normalen" Arbeitslosenversicherung pflichtversichert sind, was Solo-Selbstständigen bislang verweigert wird. – Deren "Versicherungspflicht auf Antrag" ist leider anders konstruiert als die Versicherung für Arbeitnehmer*innen, daher können ausschließlich Selbstständige, die Arbeitgeber*in sind, bei einem Arbeitsausfall (der Beschäftigten) vom Kurzarbeitsgeld profitieren.

    Es wäre dem Gesetzgeber grundsätzlich leicht möglich, ein Kurzarbeitsgeld für Selbstständige zu verankern und zumindest in ver.di und den Oppositionsparteien haben entsprechende Diskussionen begonnen, ein KUG mindestens für jene zu etablieren, die in die Arbeitslosenversicherung einzahlen (dürfen). Tatsächlich gibt es bereits eine eng umrissene (Kleinst-)Gruppe von Selbstständigen, die ausdrücklich auch Kurzarbeitsgeld bekommen können, weil sie Pflichtversicherte in der Arbeitslosenversicherung sind: Wirtschaftlich abhängige Selbstständige, die in sogenannter Heimarbeit (nach dem § 2 HAG) beschäftigt sind. Für sie gibt es eine spezielle und pragmatische Kurzarbeitsgeld-Regelung im § 103 SGB 3, die auf einen Gewinneinbruch in den letzten sechs Monaten abhebt. - Für bereits ALG-versicherte Solo-Selbstständige wäre daher eine kurzfristige, analoge Einführung eines KUG möglich gewesen. Immerhin haben wir es geschafft, dass sich die Politik und Sozialversicherungen inzwischen Gedanken darüber machen, ob und in welcher Form Elemente des bewährten Instrumentariums Kurzarbeitsgeld mittel- und langfristig auch für alle Soloselbstständigen zu adaptieren sind. Ende 2020 hat dazu das IAB der Arbeitsagentur das bislang umfassendste Diskussionpapier Unemployment insurance for the self-employed: a way forward post-corona von Paul Schoukens und Enzo Weber vorgestellt.
    Gerne wird in den politischen Debatten (mit bedauerndem Unterton) betont, Selbstständige könnten derzeit leider keine dem KUG entsprechende Leistung bekommen, weil das Kurzarbeitsgeld eine reine Versicherungsleistung sei. Das unterschlägt, dass bereits in der Vergangenheit KUG-bedingte Bundeszuschüsse an die Arbeitsagentur geflossen sind, die Arbeitgeber derzeit vom Bund die Sozialversicherungskosten auf das Ausfallgeld komplett erstattet bekommen und das in der Pandemie gezahlte KUG spätestens seit 2021 faktisch aus Steuermitteln finanziert wird. Das macht die Grundaussage, Soloselbstständige könnten keinen vergleichbaren Einkommensausfall bekommen, zum faulen Argument. - Bundesarbeitsminister Hubertus Heil kündigte bereits Mitte September 2020 in einem Interview an: "Im kommenden Jahr wird die Bundesagentur einen zusätzlichen Bedarf von etwa 10 Milliarden Euro benötigen, der aus Steuermitteln zu decken ist."

     


  • Bekomme ich Grundsicherung und/oder andere Sozialleistungen?

    Ja. Die Grundsicherung (zu Corona-Zeiten noch ALG 2, heute Bürgergeld) gibt es für alle in aktueller finanzieller Not. Allerdings in der Regel nur unter strengen Bedingungen und insbesondere für Selbstständige nur unter heftigen bürokratischen Verrenkungen insbesondere bei der Gewinnermittlung. Trotzdem: Genau für den Fall, dass es schlecht läuft, gibt es dieses sozialstaatliche Auffangnetz. (Fragwürdig ist jedoch der Ansatz, Solo-Selbstständigen die Grundsicherung als Alternative zu wirtschaftlichen Hilfen anzubieten, die ihnen verweigert werden.)
    Wie die Grundsicherung gestrickt ist, findet ihr im Ratgeber Selbstständige, eine ausführliche Broschüre der ver.di-Selbstständigen mit dem Titel "Grundsicherung in Corona-Zeiten" erläutert, wie dieses System im Detail funktioniert, auf was zu achten ist und welche Ausnahmen bzw. Erleichterungen durch das sogenannte Sozialschutzpaket galten. Dabei ging es es insbesondere um den sogenannten erleichterten Zugang der bis Ende 2022 galt. Für Anträge gab es bereits seit April 2022 keine eigenes Formular 'vereinfachter Antrag' mehr. Begründung: Das sei in den Grundantrag integriert worden.  

    Die Details der Umsetzung fanden sich in immer wieder überarbeiteten Weisungen der Arbeitsagentur zum Sozialschutzpaket. Die Weisungen zum Gesetz für den erleichterten Zugang zu sozialer Sicherung, also zum § 67 SGB 2, wurden bei der Arbeitsagentur als Loseblattsammlung veröffentlicht, nicht zuletzt, weil die Laufzeiten immer wieder angepasst wurden. Die Sammlung der Weisungen für die Corona-Zeit ist bei der Arbeitsagentur zu finden.
    Solche Weisungen sind keine Gesetze oder Verordnungen, sie können daher (was diverse Urteile belegen) auch eine falsche Interpretation der Rechtslage enthalten. Sie sind aber mindestens ein guter Anhaltspunkt, um zu verstehen, um welche §§ es der Verwaltung geht und wie sie diese (auch im Zusammenspiel mit anderen) interpretiert. Probleme gab es bei der Grundsicherung jenseits der ganzen Auslegungsfragen insbesondere bei Weiterbewilligungsanträgen. 
    Zwei wesentliche Änderungen der Bewilligungspraxis hatten die Weisungen der Arbeitsagentur vom 2. Oktober 2020 gebracht: Es wurde das Schonvermögen beim ALG 2 ausgeweitet und die Weiterbewilligung erleichtert. Insbesondere wurde ausdrücklich klargestellt, dass auch bei Weiterbewilligungsanträgen vorhandene Vermögen, die nicht erheblich sind, nicht angerechnet werden sollten. Für alle (normalerweise sechsmonatigen) Bewilligungszeiträume galt seitdem: Frei verfügbare Mittel (wie Barvermögen, Aktien etc.) werden erst ab 60.000 € (plus 30.000 € pro weiteres Haushaltsmitglied) angerechnet. 
    Neu hinzu gekommen war im Oktober 2020 auch ein Schonvermögen für die Altersvorsorge von nicht gesetzlich Rentenversicherungspflichtigen. Machten sie plausibel, dass die Gelder der Vorsorge dienen, war bei Anträgen, die bis zum 31.12.21 bewilligt werden, "ein Betrag in Höhe von gerundet 8.000 € ... für jedes angefangene Jahr der Selbstständigkeit" nicht als Vermögen zu berücksichtigen. 
    Ebenso wurde geklärt, dass bei einer Weiterbewilligung die Kosten der Unterkunft ungekürzt übernommen wurden, wenn "der Beginn des neuen Bewilligungszeitraums in den Zeitraum des vereinfachten Zugangs" fällt. So teilte es das BMAS am 6.10.2020 mit.

    Wichtig war für alle, die ALG 2 und Corona-Hilfen parallel erhielten: Bei den Überbrückungshilfen sowie den November- und Dezemberhilfen in 2020 und in Länderprogrammen, die Betriebskosten bezuschussen, hatte die Bundesagentur für Arbeit am 26.1.2022 eine "Klarstellung" veröffentlicht. Während Neustarthilfen bei der Berechnung der Grundsicherung ausdrücklich von jeglicher Berücksichtigung als Einkommen ausgenommen sind, ist es bei den Liquiditätshilfen anders. Die Auffassung der Agentur war, "dass die Betriebsausgaben zunächst aus den Hilfen zu bestreiten sind" und entsprechend bei der ALG-2-Berechnung nicht als Betriebsausgaben zu berücksichtigen sind. Die Einkommens-Privilegierung (die die Verordnung zur Berechnung von Einkommen, ALG II-V, heute Bürgergeld-V im § 1 Absatz 1 Nr. 13 und 14 regelt) gilt also nach Auffassung der Agentur nur für den Teil der Liquiditätshilfen, der die Betriebsausgaben übersteigt. Daher seien nicht nur "sonstige Betriebseinnahmen, die nicht für die Deckung von Betriebsausgaben benötigt werden" als Einkommen zu berücksichtigen, sondern auch der Teil der Hilfen, der nicht zur Deckung von Betriebskosten verwendet wird.
    Die Interpretation der Agentur lautet wie folgt: Zwar sind die Hilfen vom Bund und den Ländern (als zweckbestimmte Einnahme (gemäß § 11a Absatz 3 SGB II) bei der Berechnung des Leistungsanspruchs nicht als Einkommen zu berücksichtigen, wenn sie zur Deckung betrieblicher Kosten bestimmt ist, jedoch seien nach dem geltenden Recht Liquiditätshilfen "als Betriebseinnahme (i. S. des § 3 Absatz 1 Satz 2 Bürgergeld-V) in Fördermonaten zu berücksichtigen, soweit es um die Anerkennung von Betriebsausgaben geht", heißt es in der Weisung. "Anderenfalls würden Betriebsausgaben doppelt privilegiert"
    Die argumentativen Verrenkungen, wie die Fallmanager*innen das im Einzelfall beurteilen sollen, sprechen dafür, dass (auch) hier Sozialgerichte noch einmal klärend eingreifen müssen. Aus Sicht der Agentur - Stand 18.3.22 - ist es so: "Die Hilfen können dazu führen, dass weitere Betriebseinnahmen nicht für Betriebskosten verwendet werden müssen. Dadurch steigt das Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit ... Die Wirtschaftshilfen werden demnach lediglich mittelbar über ihren Einfluss auf das Ergebnis der Einkommensberechnung berücksichtigt." Für die Überbrückungshilfen erläutert die Agentur ihre Auffassung und Berechnung (mit Beispielen) im Punkt 2.4.1. der Weisungen, für die pauschalierten Zuschüsse, also die November- und Dezemberhilfe 2020 sowie die Neustarthilfen unter Punkt 2.4.2. Der Unterschied zwischen den ersten Hilfen und der ebenfalls pauschalen Neustarthilfe ist demnach, dass für die Neustarthilfen (im neu eingefügten Absatz 1a des § 3 Bürgergeld-V) ausdrücklich geregelt wurde: "Nicht zu den Betriebseinnahmen zählen ... die pauschalierten Betriebskostenzuschüsse ... des Förderelements 'Neustarthilfe'".  

    Mit dem Sozialschutzpaket III vom Frühjahr 2021 wurden die Grundregeln zum erleichterten Zugang bis Ende März 2022 verlängert, jedoch nicht die vorübergehende Sonderregel zur Abrechnung. Mit der wurde für knapp ein Jahr die nachträgliche Prüfung des Leistungsbezugs über den gesamten Bewilligungszeitraum ausgesetzt. Die Regelung galt allerdings nur bis Ende März 2021 und besagte, dass eine "abschließende Entscheidung" (also die nachträgliche Überprüfung der tatsächlichen wirtschaftlichen Situation im Bewilligungszeitraum) nur dann erfolgt, wenn das die Leistungsberechtigten beantragten. Seit April 2021 gilt nun wieder: "Vom Einkommen ist bei der abschließenden Entscheidung auch dann ein Durchschnittsbetrag, bezogen auf alle Monate des Bewilligungszeitraumes (BWZ), zu bilden, wenn es nicht in jedem Monat des BWZ erzielt wurde." (Quelle: Wissensdatenbank der Agentur.) Das heißt, dass die Einkommen im Bezugszeitraum von Amts wegen geprüft und ggf. Leistungen zurückgefordert werden. Dafür fordert das Jobcenter Unterlagen an und es besteht die Pflicht, sie dem Amt zur Verfügung zu stellen.

     Das erste Sozialschutzpaket

    Die Bundesregierung hatte am 23.3.2020 nach Konsultationen mit ver.di die Initiative ergriffen, den Zugang zu Grundsicherungsleistungen zu erleichtern. Das vom Arbeits- und Sozialministerium erarbeitete, am 25.3. vom Bundestag und am 27.3.2020 vom Bundesrat beschlossene "Sozialschutzpaket", also das „Gesetz für den erleichterten Zugang zu sozialer Sicherung...“, eröffnete vorerst bis Ende September einen erleichterten Zugang zur Grundsicherung (ALG 2) für ein halbes Jahr. Verlängerungen wurden in der Folge immer wieder diskutiert, beschlossen und als Verordnung veröffentlicht. Die Verlängerungen reichten am Schluss bis zum Jahresende 2022. Am 2.10.2020 wurde das oben erwähnte zusätzliche Schonvermögen definiert.

    Bei (Verlängerungs-)Anträgen auf Grundsicherung im Zeitraum in dem der sogenannte erleichterte Zugang zum ALG 2 galt, erfolgte für sechs Monate

    • prinzipiell keine Vermögensprüfung und keine Anrechnung von Vermögen bis 60.000 € für Singles sowie 30.000 € pro weiteres Mitglied des Haushalts sowie 8.000 € pro Jahr der Selbstständigkeit für die Altersvorsorge von nicht über die DRV Pflichtversicherten.
    • Miet- und Heizkosten wurden für die aktuelle Wohnung für "Neukunden" der Arbeitsagentur aufgrund der Corona-Krise in voller Höhe übernommen.
    • Die Arbeitsagentur hatte (für die Übergangszeit) einen vereinfachten, 5-seitigen neuen Antrag auf Grundsicherung erstellt. (Anschließend allerdings müssen noch viele weitere Papiere ausgefüllt werden.)
    • Der größte Wermutstropfen: Die Prüfung der Bedarfsgemeinschaft blieb (für alle betroffenen Erwerbstätigen) bestehen.
    • Die Hauptschwierigkeit: Nicht alle Fallmanager*innen wandten die neuen Regeln zur Erleichterung angemessen an. Vielfach verlangten sie weitere Auskünfte und Unterlagen, die eigentlich nur für das Hartz-4-Sanktionssystem im Normalbetrieb vorgesehen waren.

    Viele der Erleichterungen wurden später in das "Bürgergeld" übernommen, das eigentlich das ALG-2-System ablösen sollte, jedoch im Kern immer noch auf der Agenda-Philosophie basiert. Gezahlt wurde und die Grundsicherung maximal rückwirkend bis zum Anfang des laufenden Monats - wer da keinen Antrag stellte, etwa weil erwartet wurde, dass die Soforthilfe die Lebenshaltungskosten sichere, hat keine Chance auf rückwirkende Zahlungen. 

    Anfangs gab es sehr viele Nachfragen zum Thema angemessene Vermögen: Das Problem war die unscharfe Formulierung im Gesetz, es werde "Vermögen für die Dauer von sechs Monaten nicht berücksichtigt. Satz 1 gilt nicht, wenn das Vermögen erheblich ist." – Die Frage, wurde dann (verwaltungstechnisch) gelöst: Die Arbeitsagenturen bekamen die "Weisung", die Definition, der Wohngeld-Verwaltungsvorschrift (WoGVwV) anzuwenden. (Siehe nächste Liste, sechster Bulletpoint.) Dort wurde in Randziffer 21.37 auch aufgezählt, welche Rücklagen "grundsätzlich nicht verwertbar" sind.

    Weitere Basis-Informationen:

    • Wer sich tiefer in die Materie "ALG 2 für Selbstständige" während der Corona-Zeit einarbeiten will oder muss, findet übersichtliche Informationen in unserer Broschüre Grundsicherung in Corona-Zeiten.
    • Die Bundesagentur hatte spezielle FAQ, ein Erklärvideo sowie Links zu Antragsformularen auf einer aktuellen Seite zusammengestellt. - Heute finden sich dort die aktuellen Antragsunterlagen für das Bürgergeld.
    • Eine Kurzübersicht zum ALG 2 für Selbstständige von 'ihre-vorsorge.de'.
    • Für eine überschlägige Berechnung des Anspruchs bot und bietet sich der Leistungsrechner von 'hartziv.org', heute 'buergergeld.org' an.
    • Die ver.di-Ewerbslosenberatung und deren Aufstocker*innenberatung sind spezialisiert auf die Fragen rund um das ALG 2 / Bürgergeld. Beraten werden hier (natürlich) nur ver.di-Mitglieder.
    • Aktuelle und historische Zahlen der Bundesagentur zur Grundsicherung.

    Wer noch einige Aufträge und Einkommen aber keine Rücklagen hatte und nur deshalb unter die Grundsicherungsschwelle rutschen würde, weil auch noch Kosten für die Krankenversicherung anfallen, konnte (und kann) einen Zuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung bekommen. Bezahlt wird dabei genau so viel, dass das restliche Einkommen exakt auf die Grundsicherungs-Grenze rutscht. Wer hauptberuflich Studierende*r ist, war und ist hingegen grundsätzlich von der Grundsicherung ausgeschlossen. Für sie war lediglich eine Studierenden-Bundeshilfe (Überbrückungshilfe) vorgesehen, die aus einem KfW-Kredit und kleinen Zuschüssen bestand, die über die Studierendenwerke beantragt werden konnte. Selbstständige, die sowohl geringes Einkommen als auch Kinder haben, konnten bis Ende September 2020 einen Notfall-Kinderzuschlag (Notfall-KiZ) beantragen. Der betrug bis zu 185 € pro Kind und Monat. Um den Grundsicherungs-Bezug zu vermeiden, konnte und kann gegebenenfalls das Wohngeld helfen. Das ist eine kommunale Leistung, die vor Ort zu beantragen ist. Sie hat (langfristig) einige Vorteile:

    • deutlich höhere Vermögensfreibeträge
    • etwas weniger Papierkrieg als beim Grundsicherungs-Vollbezug
    • Betriebsausgaben werden steuerlich ermittelt und nicht auf Angemessenheit geprüft
    • Es muss für keine Behörde, die dich "aktivieren" will, die Verfügbarkeit gesichert werden

    Sozialhilfe (nach Überschreiten der Regel-Altersgrenze)

    Dass sich die Regierung entschlossen hat, für Solo-Selbstständige keine Sicherung des Einkommensausfalls vorzusehen (wogegen wir und andere seit März 2020 vergeblich Sturm liefen), trifft insbesondere jene, die jenseits der Regel-Altersgrenze ihr Unternehmen weiter betreiben und - wegen zu geringer Einkommen und Renten - durch die Pandemie in die Bedürftigkeit abrutschen. Für die gab es kein ALG 2 mit erleichtertem Zugang und erhöhtem Schonvermögen sondern lediglich die Grundsicherung im Alter. Das hieß und heißt: Prinzipiell haben jene, die die Regel-Altersgrenze der Rente (zwischen 65 und 67 Jahren) erreichen, nur ein Schonvermögen von 5.000 €.
    Eine verständliche, übersichtliche Darstellung zu den Basisregeln der Alters-Grundsicherung gibt es bei der Stiftung Warentest, eine formellere Darstellung bei der Rentenversicherung DRV (die auch zur Grundsicherung berät).